Neovaskularisationsglaukom

Kategorien: Augenärztliche BehandlungPublished On: 8. Februar 2023Von 6,5 min read

Dr. med. Richard Nagy

Ärztlicher Leiter, Facharzt für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

neovaskularisationsglaukom

Das Neovaskularisationsglaukom (Neovascular glaucoma) stellt eine schwere Form des Sekundärglaukoms dar, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass sich fibrovaskuläres Gewebe im vorderen Augenbereich vermehrt. Dies betrifft insbesondere den vorderen Kammerwinkel und die Iris.

Hierbei ist das Neovascular glaucoma keine primäre Augenerkrankung: In der Regel geht eine Ischämie der Netzhaut oder eine andere okuläre Krankheit dem Neovascular glaucoma voraus. Durch den akuten Sauerstoffmangel im Auge kommt es schließlich zu krankhaften Gefäss-Neubildungen, die das Auge schädigen. Für eine erfolgreiche Therapie dieser Augenerkrankung ist die Behandlung der Primärerkrankung als Ursache wichtig.

Auslöser

Die Diabetische Retinopathie gilt als häufigste Ursache des Neovaskularisationsglaukoms. Auch venöse oder arterielle Gefässverschlüsse können zu dieser Augenerkrankung führen, wenn sie sich im Auge manifestiert haben. Hierbei sei erwähnt, dass arterielle Gefässverschlüsse seltener auftreten als venöse.

Weitere, seltener auftretende Ursachen sind:

  • Entzündungen der Augenhaut
  • Entzündungen der Uveitis (Regenbogenhaut)
  • Entzündungsprozesse an der Schläfenarterie
  • erst kürzlich erlittene Verletzungen am Auge
  • Carotisstenose (Gefässverschlüsse oder Engpässe in der Halsschlagader)

Sehr seltene Ursachen:

  • Frühgeborenen-Retinopathie
  • chronische Nethautablösungen
  • Strahlentherapien im Kopfbereich

Durch die diabetische Retinopathie kann es unter anderem auch zu einer Rubeosis iridid kommen. Bei der Rubeosis iridis handelt es sich um eine Erkrankung der Netzhaut, welche häufig durch Diabetes ausgelöst wird. Die Erkankung Rubeosis iridis geht mit einer Gefäßveränderung durch die vermehrte Gefäßneubildung (Neovaskuliarisation) in der Iris einher und führen dazu, dass das Kammerwasser blockiert wird und dadruch nicht mehr abfließen kann. Dies wiederrum führt zu einem massiven Anstieg des Augeninnendrucks und ohne Gegenmaßnahmen kann eine Erblindung des erkrankten Auges drohen.

Unter Neovaskularisationen versteht man alle Vorgänge der Neubildung der Blutgefäße in einem erwachsenen Organismus. Oftmals wird der Begriff Neovaskularisation in der Medizin im Zusammenhang mit übermäßigen oder unkontrollierten Gefäßneubildungen bzw. Gefäßwucherungen verwendet.

Klinischer Verlauf und Symptome

Durch die vorhandene Primär-Augenerkrankung kommt es zu einer Mangelversorgung des Auges mit Sauerstoff. Das hat zur Folge, dass Botenstoffe, insbesondere der vascular endothelial growth factor (VEGF), produziert sowie ausgeschüttet werden, um die Sauerstoff-Unterversorgung zu beheben und neue Gefäße zu bilden. Die sich neu bildenden Gefäße wachsen jedoch, anders als bei der Augenentwicklung, nicht zielgerichtet: So wachsen sie sich auch in Augenbereiche ein, in denen sie unerwünscht sind: Schließlich schädigen sie das Auge.

Von größerer Bedeutung für diese Augenerkrankung sind die Gefäße, die sich im vorderen Bereich des Auges bilden, insbesondere auf der Iris und im Kammerwinkel. Häufig sind die krankhaften Gefäss-Neubildungen sehr instabil und führen aufgrund der mangelhaften Wandstärke zu Blutungen, beispielsweise im Glaskörper-Bereich.

Wenn sich die neu gebildeten Gefäße auf der Iris und im Kammerwinkeln befinden, können diese den Abfluss des Kammerwassers behindern: Dies führt zu einer massiven Erhöhung des Augeninnendruckes. Zusätzlich wird die Entstehung einer Membran im Kammerwinkelbereich begünstigt, die ebenso den Kammerwasserabfluss stört. Der damit einhergehende hohe Augeninnendruck ist oftmals mit starken Schmerzen verbunden.

Nicht selten ist das Sehvermögen eingeschränkt: Patienten nehmen die Umgebung nur noch verschwommen wahr. Des Weiteren können Betroffene um Lichtquellen farbige Ringe (Halos) sehen. Auch äußerlich kann sich die Augenkrankheit durch stark gerötete Augen bemerkbar machen.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Krankheitsverlauf ebenso asymptomatisch bleiben kann. Zudem können Beschwerden auftreten, die Patienten nicht unmittelbar auf das Auge beziehen. Hierzu gehören unter anderem:

  • Kopfschmerzen
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Schweißausbrüche
  • Verlangsamung des Herzschlags

Wie kann die Erkrankung erkannt werden?

Im Anfangsstadium der Augenerkrankung kann der Augenarzt anhand einer Gonioskopie mittels Kontaktglas im Vorderkammerwinkel ein vaskuläres Netzwerk sehen. So ist die Tiefe der Vorderkammer ungewöhnlich. Und die Kammer-Flüssigkeit weist eine leichte Opaleszenz auf. Aufgrund des erhöhten intraokularen Drucks ist das typische Hornhaut-Ödem zu erkennen. Ebenso sind auf der Iris dünne, nicht radial verlaufende Blutgefässe sichtbare Anzeichen eines Neovaskularisationsglaukoms. In einigen Fällen lassen sich auch Leukozyten feststellen.

Wenn sich die Erkrankung weiterentwickelt, kann der Arzt mittels peripherer Synechien feststellen, dass entweder ein nicht unerheblicher Teil oder sogar der komplette Vorderkammerwinkel blockiert wird.

Therapie

Um dauerhafte Schmerzen zu verhindern, ist eine sofortige Behandlung von Neovaskularisationsglaukomen unabdingbar. Ziel ist es, eine Verbesserung der Sauerstoffzufuhr zu erreichen und das Risiko einer Erblindung zu reduzieren und eine Enukleation zu umgehen. Bei einer Enukleation des Auges handelt es sich um eine operative Entfernung des Augapfels. Im Normalfall wird anschließend eine Augenprothese angepasst, das sogenannte Glasauge. Eine Enukleation ist irreversibel und permanent, was bedeutet, dass die Funktionen sowie das Augenlicht des betroffenen Auges nicht mehr vorhanden sind.

So steht in einem ersten Schritt die umgehende Drucksenkung des Augeninnendrucks an. Auch die Grunderkrankung, die die Sekundär-Erkrankung ausgelöst hat, muss hier sofort mitbehandelt werden.

Medikamentöse Behandlungsversuche, die zur Drucksenkung und Regulierung des Augeninnendrucks führen sollen, sind nur selten erfolgreich. Mittels operativer Massnahmen können Drainagen implantiert werden, die eine Drucksenkung auf das Augen auslösen. Als Alternative ist hier die Trabekulektomie zu nennen: Sie wird mit Medikamenten-Gaben begleitet, die antimetabolisch wirken. Zu den weiteren möglichen Behandlungsformen gehören:

  • Gefäss-Abdichtung durch Zykloplegika oder Steroide
  • Netzhautkryokoagulation mittels Laser
  • pan-retinale Laserkoagulation
  • Kammer-Dränage (Versuch) durch Implantat
  • Einsatz von Medikamenten, welche die Kammerwasserproduktion hemmen
  • Vereisung der betroffenen Kammerteile (Kammerwasserproduktion wird gestoppt und Druck im Innenauge gemindert)

Bei besonders schweren Fällen eines Neovaskularisationsglaukoms kann eine Pars-plana-Vitrektomie mit peripherer Retinektomie als Behandlungsmethode in Erwägung gezogen werden. Bei der Pars-plana-Vitrektomie wird dann ein hinterer Abfluss des Kammerwassers in die absorbierende Aderhaut geschaffen.

Zusätzlich sollte bei einem Neovaskularisationsglaukom eine Verödung des Ziliarkörpers, also einem sogenannten zyklodestruktiven Eingriff, der Vortritt vor einer Glaukomoperation gelassen werden. Denn der zyklodestruktive Eingriff führt häufiger zu einem besseren Ergebnis und zu weniger Kmplikationen.

Differentialdiagnosen

Ähnliche Erkrankung, wie etwa das akute Winkelblockglaukom oder das dekompensierte Offenwinkelglaukom, müssen mittels differenzialdiagnostischer Methoden ausgeschlossen werden, um auf ein Neovascular glaucoma schließen zu können.

Prognose

Mögliche Risikofaktoren für diese Erkrankung sollten bereits im Vorfeld reduziert oder im besten Falle beseitigt werden. Denn bei einem gesunden Auge kann sich kein Neovaskularisationsglaukom bilden. Da insbesondere Diabetiker zur Risikogruppe gehören, gilt für diese Patienten:

  • vierteljährliche Kontrollen der Blutzuckerwerte
  • vierteljährliche Kontrollen des Blutdrucks
  • vierteljährliche Kontrolle der Blutfette

Wichtig ist eine Einhaltung der Werte im Normbereich. Des Weiteren sorgen regelmässige Augenarzt-Besuche dafür, dass bei einem möglichen Auftreten der Erkrankung bereits im Anfangsstadium mit einer entsprechenden Behandlung begonnen werden kann. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto erfolgversprechender ist die Therapie.

Bei einem bereits voll ausgebildeten Neovaskularisationsglaukom erweist sich die Behandlung des betroffenen Auges als herausfordernd. So kommt es zu vermehrten Komplikationen nach einer Glaukom-Operation, wenn die Senkung des Augeninnendrucks als Operationsziel im Vordergrund steht. Aufgrund der Neubildungen der Gefässe ist die Prognose hier schlechter als beispielsweise bei Patienten mit primären Glaukomen.

Wenn die Therapie mit Medikamenten erfolglos bleibt, erblinden viele Patienten auf dem erkrankten Auge. Die ist auf den hohen Augendruck zurückzuführen. Sollte es trotz Erblindung zu dauerhaften Schmerzen kommen, muss eine konsequente Druckentlastung erfolgen. Als letzte Therapiemaßnahme ist die Entfernung des entsprechenden Augapfels angebracht, um den Patienten ein Stück Lebensqualität zurückzugeben.

Fazit

Bei voller Ausprägung erweist sich die Behandlung des Neovaskularisationsglaukoms als schwierig. Da sich bei einem Glaukom Sehstörungen erst dann bemerkbar machen, wenn bereits viele Nervenfasern des Sehnervs geschädigt sind, sind vorbeugende Massnahmen und Untersuchungen beim Augenarzt umso wichtiger, um es gar nicht erst zur Entstehung der Augenerkrankung kommen zu lassen. Dies gilt vor allem für Diabetiker. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser ist es für den Therapieverlauf.

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