Trochlearisparese

Kategorien: SehproblemePublished On: 16. Mai 2022Von 5,8 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

Mehr über mich und meine Karriere finden Sie auf meiner Profilseite

Teilen Sie diesen Artikel!

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

Mehr über mich und meine Karriere finden Sie auf meiner Profilseite

Teilen Sie diesen Artikel!

Inhaltsverzeichnis

trochlearisparese

Beim gesunden Menschen produzieren beide Augen gemeinsam ein zusammengesetztes Bild. Bei einer Trochlearisparese ist dieses Zusammenspiel gestört und die Betroffenen sehen dieses Bild doppelt. Dabei sehen sie die beiden Bilder nebeneinander oder versetzt. Was diese Doppelbilder verursacht und wie sie behandelt werden können, soll folgend erläutert werden.

Was genau steckt hinter einer Trochlearisparese?

Bei der Trochlearisparese liegt eine Lähmung (Parese) des oberen schrägen Augenmuskels (Musculus obliquus superior) vor. Diese ist in aller Regel auf eine Schädigung (Läsion) des diesen Muskeln innervierenden Nervus trochlearis (vierter Hirnnerv) zurückzuführen. Der obere schräge Augenmuskel ist dafür verantwortlich, das Auge in Adduktion (Bewegung des Auges zur Nase hin) nach unten zu bewegen. Hierzu kontrahiert er, er zieht sich zusammen.

Bei einer Schädigung des vierten Hirnnerven (Nervus trochlearis) wird der Augenmuskel bewegungsunfähig und diese Absenkbewegung des Auges ist stark eingeschränkt. In der Folge können sich die beiden Augen nicht mehr im Zusammenspiel bewegen und ein zusammengesetztes Bild produzieren. Es entstehen die charakteristischen Doppelbilder sowie Schielen mit zusätzlicher V-Symptomatik bei Auf- und Abblick oder auch eine sogenannte Vertikaldeviation, bei welcher das Auge bei Nichtbenutzung nach oben „abdriftet“.

Welche Ursachen liegen der Erkrankung zugrunde?

Die der Trochlearisparese zugrundeliegende Parese oder Läsion des vierten Hirnnerven (Nervus trochlearis) kann verschiedene Ursachen haben. So wird der Nerv häufig in seinem Verlauf zur Augenhöhle (Orbita) geschädigt durch:

  • Schädel-Hirn-Traumen
  • Kompressionen infolge örtlich raumfordernder Tumore oder Metastasen
  • entzündliche Prozesse aufgrund von infektiösen Erkrankungen (Herpes, Pilzerkrankung, bakterielle Infektion)
  • Gefässerkrankungen wie Aneurysmen, Schlaganfälle, diabetische Mikroangiopathien sowie ein Sinus-cavernosus-Syndrom oder eine Sinus-cavernosus-Thrombose
  • kongenitale Faktoren wie eine Aplasie (ausbleibende Anlage des verantwortlichen Muskels/Nerven) bzw. Agenesie (Fehlen des verantwortlichen Muskels/Nerven)

Dabei ist die Lähmung in der Mehrheit der Fälle traumatisch bedingt, insbesondere bei Vorliegen einer beidseitigen Trochlearisparese. Eine einseitige Parese tritt sehr viel seltener auf und kann zumeist auf einen Diabetes mellitus zurückgeführt werden.

Als Risikofaktoren bei Patienten gelten darüber hinaus Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Bluthochdruck, Meningitis (Gehirnhautentzündung), Multiple Sklerose, das Tolosa-Hunt-Syndrom (schmerzhafte Entzündung der Orbitalregion) sowie andere systemische Erkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom, Amyloidose oder Sarkoidose.

Welche Symptome treten bei Trochlearisparese auf?

Bei den Symptomen fallen vordergründig Doppelbilder auf, die analog der Deviation horizontal, vertikal und verkippt wahrgenommen werden und sich im Abblick verstärken. Der grösste vertikale Doppelbildabstand entsteht beim Blick nach nasal (innen) unten, was sich beispielweise verstärkt beim Treppensteigen und Lesen bemerkbar macht. Die Verkippung der vertikalen Doppelbilder ist beim Blick nach temporal (zur Schläfe hin) unten am stärksten ausgeprägt.

Betroffene versuchen zudem, mithilfe einer kompensatorischen Kopfneigung den Doppelbildern entgegenzuwirken. Diese Kopfzwangshaltung folgt den Wirkungsrichtungen des paretischen (gelähmten) Augenmuskels. So ist der rechte Musculus obliquus superior beispielsweise bei der Kopfneigung nach links nicht erforderlich, sodass der Betroffene hierbei nicht schielt. Die Kopfzwangshaltung führt allerdings beim Essen, Schreiben und Lesen zu Problemen. Die Schielwinkel mit Hilfe einer Kopfzwangshaltung beim Treppensteigen kann in diesem Fall nicht kompensiert werden und dadurch kann es auch bei den Patienten zu Unfällen kommen.

Wie erfolgt die Diagnose?

Zur Diagnose einer Trochlearisparese misst der Arzt zunächst den Schielwinkel des Auges in verschiedenen Blickrichtungen und führt anschliessend einen sogenannten Bielschowsky-Kopfneigetest durch, anhand dessen die Erkrankung besonders gut festgestellt werden kann. Denn bei der Neigung des Kopfes hin zur paretischen Seite weicht das betroffene Auge sichtbar nach oben ab (Vertikaldeviation).

Diese Höhenabweichung ist dabei folgendermassen erklärbar: Bei Neigung des Kopfes zur gelähmten Seite wird normalerweise der Augapfel (Bulbus oculi) vom oberen schrägen Augenmuskel zur Nase hin bewegt – vom Betrachter aus betrachtet für das rechte Auge im Uhrzeigersinn, das linke entgegen dem Uhrzeigersinn. Diese Bewegung bezeichnen Augenärzte als Inzyklorotation.

Da aber der verantwortliche Augenmuskel gelähmt ist, springt ein zweiter „Inzyklorotator“ – der obere gerade Augenmuskel (Musculus rectus superior) – ein. Dieser zieht das Auge allerdings gleichzeitig nach oben und bewirkt so den Höherstand. Häufig ist der Höherstand zu Beginn lediglich dezent ausgeprägt, was nicht selten zu einem Übersehen der Erkrankung führt.

Typische Anzeichen einer Trochlearisparese für den Arzt

Insgesamt deuten für den Augenarzt folgende Anzeichen auf die Ausschaltung des Musculus obliquus superior hin, die er auch differentialdiagnostisch nutzt:

  • Das betroffene Auge ist hypertrop, d. h. weicht deutlich nach oben ab.
  • Die Hypertropie verstärkt sich beim Blick zur Gegenseite.
  • Der Bielschowsky-Kopfneigetest ist positiv.
  • Das betroffene Auge zeigt eine Exzyklotorsion, d. h. Rotation zur Schläfe hin.

Abschliessend kann zum Ausschluss bestimmter Grunderkrankungen ein MRT (u. a. Tumore und Gefässerkrankungen) oder Glukosetoleranztest (Diabetes mellitus) infrage kommen.

Behandlung einer Trochlearisparese

Die Trochlearisparese wird in Abhängigkeit von Ursache und Ausprägung behandelt. Hierzu stehen dem Arzt verschiedene Massnahmen zur Verfügung. Das Schielen kann beispielsweise mithilfe von Prismengläsern behoben werden. Die Therapie mit Prismengläsern soll bestenfalls zu einem zufriedenstellenden Rückbildung der Lähmung führen. Im Rahmen eines operativen Eingriffs kann zudem die Kopfzwangshaltung korrigiert werden. So kann zum Beispiel der obere schräge Augenmuskel gestärkt werden, indem dieser operativ vorgelagert oder gefaltet wird.

Auch eine Faltung bzw. Rücklagerung des unteren schrägen Augenmuskels (Musculus obliquus inferior) ist möglich. Im Anschluss an den operativen Eingriff bzw. an die Faltung, kann die körpereigene Produktion der Tränenflüssigkeit herabgesetzt sein, was durch entsprechende Augentropfen kompensiert werden kann. Häufig wird zudem ein Sehtraining erforderlich, das die Sehstörung und Schielstellung verbessert. Physiotherapeutische Massnahmen tragen zur Verbesserung der im Vorfeld antrainierten Kopfzwangshaltung bei.

Liegt der Erkrankung eine Bindehautentzündung oder Infektion zugrunde, werden diese zusätzlich medikamentös behandelt. Hierzu bietet sich auch eine Therapie mit Virustatika (Virusinfektion) oder Antibiotika (bakterielle Infektion). Auch andere auslösende Erkrankungen wie ein Diabetes mellitus müssen begleitend behandelt werden, um eine Ausschaltung der Ursache und damit eine Linderung der Beschwerden zu ermöglichen.

Prognose: Heilt die Trochlearisparese vollständig ab?

Eine völlige oder partielle Rückbildung kann bei etwa 50 Prozent der Betroffenen beobachtet werden. Ob eine Trochlearisparese tatsächlich heilbar ist, hängt davon ab, ob diese ursächlich behandelt werden kann. Infektiös oder entzündlich bedingte Paresen weisen eine sehr gute Prognose auf. Sie können sich nach Abheilung der Entzündung bzw. Infektion spontan zurückbilden. Auch bei einer durch einen Diabetes mellitus ausgelösten Parese, können die Symptome gelindert werden, wenn dieser optimal eingestellt wird. Traumatisch bedingte Trochlearisparesen heilen dagegen nur in sehr seltenen Fällen wieder ab und können lediglich symptomatisch behandelt werden.

Fazit

Eine Trochlearisparese stellt im Alltag der Betroffenen eine Herausforderung dar und sollte in jedem Fall ärztlich behandelt werden. Durch die Behandlung können die Beschwerden in vielen Fällen verbessert werden. Liegt der Trochlearisparese eine Erkrankung zugrunde muss diese begleitend behandelt werden. Dies trägt zumeist erheblich zur Reduzierung der Symptome bei.

Quellen

  • Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 685-687.
  • Nika Bagheri, Brynn N. Wajda: The Wills Eye Manual, 7th edition, Seite 241-243.
  • Brad Bowling: KANSKIs Klinische Ophthalmologie, 8. Auflage, Seite 812-815.
Nach oben