Sehnervinfarkt (Augeninfarkt)
Dr. med. Gabriele Valaisaite
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Inhaltsverzeichnis
Sehnervinfarkt: Einführung
Der Sehnervinfarkt, häufig auch Augeninfarkt oder Sehsturz genannt, zählt zu den augenärztlichen Notfällen, die der umgehenden Vorsprache bei Ihrem Augenarzt bedürfen. Was es damit genau auf sich hat, welche Therapieformen es gibt und wie die Prognose ausschaut, sind nur einige der Fragen, die in diesem Beitrag beantwortet werden sollen.
Was ist der Sehnerv und worin besteht seine Aufgabe?
Der Sehnerv, in der Augenheilkunde auch unter dem Begriff Nervus opticus bekannt besteht aus den Fortsätzen der Netzhautzellen. Als direkte Verbindung zwischen Augen und Gehirn besteht seine Aufgabe darin, Informationen aus der Netzhaut an das Gehirn weiterzuleiten. Den Ausgangspunkt bildet dabei die sogenannte Papille (Sehnervenkopf), von der aus die Nervenfasern das Auge in Richtung Gehirn verlassen.
Der Sehnerv ist folglich auch der zweite Hirnnerv und mit rund 1, 2 Millionen Nervenfasern ein sehr komplexes Gebilde. Zusammen mit der Länge des Transportweges birgt diese Tatsache ein grosses Risiko für Erkrankungen, Störungen und Beeinträchtigungen. Mögliche Ursache für Schäden am Sehnerven ist der erhöhte Augeninnendruck (Glaukom, grüner Star). Um diese rechtzeitig zu erkennen und einer ernsten Entwicklung wie einer bleibenden Schädigung des Sehnervs vorzubeugen, ist eine regelmässige Vorsprache beim Augenarzt erforderlich.
Was versteht man unter dem Sehnervinfarkt (Augeninfarkt)?
Unter dem Sehnervinfarkt, versteht man eine plötzliche, schmerzlos verlaufende Sehverschlechterung.
Verursacht wird das Phänomen durch eine unzureichende Durchblutung von Netzhaut und Sehnerv. Zurückzuführen ist diese oftmals auf eine Verstopfung der Blutgefässe im Auge. Werden nicht rechtzeitig die notwendigen Massnahmen ergriffen, so kann der Sehnerv absterben. Für die Betroffenen bedeutet dies eine vollständige Erblindung des betroffenen Auges.
Sehnervinfarkt: mögliche Ursachen und einflussnehmende Faktoren
Durchblutungsstörungen aufgrund von Verengungen und Verschlüsse der Gefässe im Auge: So lautet auf den Punkt gebracht die Ursache für einen Augeninfarkt.
Hervorgerufen werden können diese durch eine Vielzahl an Faktoren und Krankheitsbilder, darunter Entzündungen, Tumore, Verletzungen sowie bestimmte Medikamente. Zum besseren Verständnis seien hier einige Beispiele genannt:
Arterienverkalkung (Arteriosklerose)
Dieses Krankheitsbild führt die Liste potentieller Gründe für Verschlüsse und Verengungen an. Zu einer Einengung des Blutflusses kommt es hier aufgrund von Kalk- und Fettablagerungen an den Gefässwänden. Sind auch die Gefässinnenwände des Auges betroffen, so steigt das Risiko, einen Sehnervinfarkt zu erleiden.
Generell besteht bei dieser Form der langsamen Blutbahnverengung grundsätzlich die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel, sprich aus Blutplättchen bestehende Pfropfen, auch Thrombus genannt, schneller an den Adern des Auges festsetzen und auf diese Weise eine Verengung bzw. Blockade hervorrufen. Die so eingeschränkte bzw. komplett verhinderte Zufuhr an essentiellen Nährstoffen begünstigt auf lange Sicht ein Absterben von Netzhaut und Sehnerv.
Männer sind übrigens in höherem Masse von einer Verkalkung der Arterien betroffen als Frauen. Entsprechend nimmt bei ihnen auch die Gefahr zu, einen Augeninfarkt zu erleiden.
Vorerkrankungen als Risikofaktor
In der Regel entwickeln sich Arterienverkalkungen über viele Jahre hinweg.
Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) sowie Fettstoffwechselstörungen, die zu einem Anstieg des LDL-Cholesterinspiegels führen, können diesen Prozess jedoch erheblich beschleunigen.
Letzteres ist beispielsweise bei einer zu fettigen Ernährungsweise mit Schwerpunkt auf Wurst und rotes Fleisch der Fall. Diese führt zu einer starken Erhöhung der Blutfettwerte. Der Cholesterin-Überschuss wiederum setzt sich an den Gefässwänden an und führt so über kurz oder lang zur Arteriosklerose.
Stress und Bluthochdruck als Risikofaktoren
Bluthochdruck erzeugt eine dauerhafte übermässige Druckbelastung der Adern, die zwangsläufig eine Einschränkung ihrer Elastizität und Flexibilität mit sich bringt. Diese Entwicklung wiederum begünstigt ein Festsetzen von Ablagerungen im Auge und folglich auch die Entstehung von Durchblutungsstörungen.
Da anhaltender Stress den Blutdruck in die Höhe treiben kann, zählt die Dauerbelastung in Beruf und Alltag zu weiteren Risikofaktoren für eine Augeninfarkt.
Eine ungesunde Lebensweise als Risikofaktor
Bewegungsmangel, eine ungesunde Ernährung und Laster wie Rauchen und Alkoholkonsum können ebenfalls zum Auftreten eines Sehnervinfarktes beitragen.
Nikotinkonsum beispielsweise führt zu einer Verengung der Blutgefässe und damit der Bildung von Verschlüssen im Auge.
Eine unzureichende Flüssigkeitaufnahme wiederum macht das Blut dicker, so dass feine Äderchen im Auge nicht mehr auf eine zuverlässige Nährstoffversorgung setzen können.
Risikofaktor fortschreitendes Alter
Selbst bei einer gesunden Lebensweise leidet der Körper mit zunehmendem Alter unter Verschleisserscheinungen. In Bezug auf die Blutgefässe kommt es hier zu einer langsam aber kontinuierlich fortschreitenden Bildung von Ablagerungen.
Entsprechend zählen ältere Menschen zu der besonderen Risikogruppe für einen Sehnervinfarkt.
Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION) kurz erklärt
Bei der sogenannten anterioren ischämischen Optikusneuropathie, kurz AION genannt, handelt es sich um eine akute Durchblutungsstörung des Sehnervenkopfes hervorgerufen durch eine Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Ein schneller Sehverlust infolge einer plötzlichen unzureichenden Durchblutung des Sehnervenkopfes sind für die Störung bezeichnend. Eine irreversible Schädigng gefolgt von einer bleibenden Reduktion des Sehvermögens bis hin zur Erblindung sind bei einer unzureichenden und/oder zu spät einsetzenden Therapie vorprogrammiert.
Hervorgerufen wird diese wie bereits beschrieben durch eine Blockade oder Verlegung eines der Blutgefässe, die für die Nährstoffversorgung des Sehnervs zuständig sind.
Da ein Absterben von funktionellem Nervengewebe droht, ist rasches Handeln gefragt.
Generell wird zwischen zwei Varianten der AION, kurz der sogenannten arteriitisch bedingten AION (AAION) sowie der nicht-arteriitisch bedingten AION (NAAION) unterschieden. Im Folgenden sei kurz auf die zum Teil voneinander abweichenden Charakteristika beider Krankheitsbilder eingegangen.
AAION versus NAAION bzw. NAION
Unterschiede zwischen beiden AION-Formen finden sich vor allem mit Blick auf die Ursachen und Behandlungsmethoden.
Bei der AION wird die Entzündung der Gefässwände durch eine generalisierte Vaskulitis oder eine Riesenzellarteriitis ausgelöst. Auch die Arteriitis temporalis, eine autoimmune Gefässentzündung, kann eine AION hervorrufen. Bei der Arteriitis temporalis können Kopf- und Kauschmerzen, eine Leistungsminderung sowie ein schlechtes Allgemeinbefinden auftreten. Die AION ist ein augenärztlicher Notfall und bedarf sofortiger Therapie. Diese wiederum führt unweigerlich zu einer Einengung des Gefässes mit konsekutiver Ischämie bzw. Durchblutungsstörung.
Bei der NAION sind die Ursachen noch nicht vollständig geklärt.
Als ein wichtiger einflussnehmender Faktor wird unter anderem nächtlicher Blutdruckabfall angesehen. Zu den besonderen Risikogruppen zählen Menschen, die unter Hypertonie, Diabetes und Hypercholesterinämie leiden. Etwa 75 Prozent der Patienten stellen nach dem Erwachen eine Visusminderung fest.
Eine essentielle Rolle für das Auftreten einer NAION scheint ausserdem die Form des Sehnervenkopfes zu spielen. Ist die Durchgangsstelle für den Sehnerv durch die Sklera besonders eng, so ist eine NAION schon fast vorprogrammiert.
Weiterhin kann die Einnahme von bestimmten Arzneimitteln, allen voran Sildenafil, das Auftreten einer NAION begünstigen.
Sehnervinfarkt: Symptomatik
Der Sehnervinfarkt äussert sich in der Regel unmittelbar nach dem Gefässverschluss durch Veränderungen der Sehkraft. Schmerzen als eines der wichtigsten Hinweise auf eine Störung bleiben in der Regel jedoch aus.
Eine verschwommene Sicht sowie das Auftreten schwarzer Flecken und Schatten im Gesichtsfeld sind typische Merkmale. Zumeist ist nur ein Auge betroffen.In extremen Fällen führt der Augeninfarkt zu einer vollkommenen Erblindung.
Augeninfarkt: die Diagnose
Die augenärztliche Untersuchung beginnt in der Regel mit dem Patientengespräch. Neben der Prüfung von Gesichtsfeld, Visus (Sehschärfe), Augeninnendruck und Farbsehen erfolgt eine Beurteilung der Netzhaut. Dabei versucht der behandelnde Arzt, mögliche Ursachen beispielsweise in Form von einer genetischen Veranlagung oder von Augenkrankheiten auszuschliessen.
Ganz wichtig ist es in diesem Zusammenhang, festzustellen, ob die Erkrankung nur einseitig ist. Entsprechend wird der Augenarzt bewährte Untersuchungen und Tests unter anderem mit der Spaltlampe durchführen, die belegen oder ausschliessen, dass die Veränderungen lediglich auf einem Auge vorzufinden sind. Prüfungen des Farbsehens, Gesichtsfeldes, der Sehschärfe sowie der Pupillenreaktion zählen hier zum Standard.
Wird eine einseitige Minderung des Sehvermögens festgestellt, so deutet dies auf einen Augeninfarkt hin.
An dieser Stelle ist jedoch darauf zu verweisen, dass eine genaue Bestimmung auch hier nicht immer ganz einfach ist. Werden vorliegende einseitige Störungen beispielsweise durch das Gehirn ausgeglichen, so besteht die Gefahr, dass ein Sehnervinfarkt unbemerkt bleibt.
Ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt bei der Diagnosestellung ist ein abnormal, nur undeutlich abgrenzbarer Sehnervenkopf mit Papillenschwellung. Darüber hinaus lassen sich im Randbereich feine Einblutungen feststellen.
Mithilfe der Fluoreszenzangiografie als eigens für die Bestimmung von Durchblutungsstörungen entwickeltes bildgebendes Verfahren wiederum lässt sich eine eingeschränkte Durchblutung diagnostizieren.
Augeninfarkt: Behandlungsmethoden im Diskurs
Je nach AION-Variante werden andere therapeutische Massnahmen ergriffen.
Bei der Behandlung der AAION liegt der Schwerpunkt entsprechend auf einer Therapie mit Kortison.
Bei der NAION gibt es heute leider keine wirksame Therapie. Antikoagulation, Nikotinkarenz und durchblutungsfördernde Arzneimittel, darunter Acetylsalicylsäure und Kalziumantagonisten können verhindern, dass der Sehnerv im anderen Auge betroffen wird.
Exkurs: Posteriore (hintere) ischämische Optikusneuropathie (PION)
Kommt es im hinteren Teil des Sehnerven zu einer unzureichenden Durchblutung, so spricht man von einer posterioren ischämischen Optikusneuropathie (PION). Auch für diese Variante sind eine rasche schmerzlose Sehverschlechterung und ein Anschwellen des Sehnervenkopfes bezeichnend.
Zu den denkbaren Szenarien, die zu einer PION führen, zählen Operationen beispielsweise an Herz oder Wirbelsäule, eine Gefässentzündung (Riesenzellarteriitis) als arteriitische Variante sowie in Verbindung mit kardiovaskulären Risikofaktoren als nichtarteriitische Form.
Bei einem operativen Eingriff können beide Augen betroffen sein. Die Heilungschancen sind bei einer PION grundsätzlich schlecht, so dass eine Optimierung der Sehschärfe eher nicht zu erwarten ist.
Sehnervinfarkt (Augeninfarkt): Prognose und Fazit
Zusammenfassend ist hier erneut zu betonen, dass ein unverzügliches augenärztliches Eingreifen für den Krankheitsverlauf und die allgemeine Prognose eines Sehnervinfarktes ausschlaggebend ist. Nur so kann eine unvorteilhafte Entwicklung mit potentiell bleibenden Schäden und einer verringerten Sehkraft verhindert werden.
Wie immer kompetent beraten sind Sie in Ihrer Augenarztpraxis Chur. Verlieren Sie also keine kostbare Zeit, sondern wenden Sie sich bei auftretenden Beschwerden sofort an uns.
Quellen
- Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 725-729.
- Nika Bagheri, Brynn N. Wajda: The Wills Eye Manual, 7th edition, Seite 262-265.
- Brad Bowling: KANSKIs Klinische Ophthalmologie, 8. Auflage, Seite 774-778.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Anteriore_ischämische_Optikusneuropathie