Sehnerventzündung: Ursachen und Therapie

Kategorien: SehnervPublished On: 22. August 2022Von 8,5 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

sehnerventzuendung

Der Sehnerv kurze Erklärung

Als zweiter von insgesamt zwölf Hirnnerven bildet der Sehnerv den ersten Abschnitt der Sehleitung, die alternativ als Sehbahn bezeichnet wird. Der Sehnerv grenzt an die Retina, die Netzhaut. Die Sehleitung ist eine Nervenbahn des optischen Systems im Kopf, die bis zum Gehirn führt.

Der Sehnerv selbst ist im Erwachsenenstadium etwa 4,5 cm lang und 4 mm dick. Abhängig von der Augenstellung verläuft er entweder leicht geschlängelt oder in einem Bogen vom Auge durch die Augenhöhle und danach durch den Sehnervenkanal des Keilbeins als einem Schädelknochen hinein in den Kopf. Zum Hirnschädel als dem Zentrum solcher Hauptsinnesorgane wie hören, riechen, schmecken und sehen gehören insgesamt sieben Knochen.

Die Lage des Sehnervs ist aufgeteilt in die drei Abschnitte

  • noch im Augapfel
  • in der Augenhöhle
  • im knöchernen Sehnervenkanal

Die Funktion von Sehnerven

Durch die Verbindung des Auges mit dem Gehirn gewährleistet der Sehnerv die Erhaltung der Sehfunktion. Alle auf die Netzhaut treffenden Lichtimpulse werden vom Sehnerv zum Sehzentrum in der Grosshirnrinde weitergeleitet und dort zu einem Bild verarbeitet.

Die aus dem Randbereich der Netzhaut kommenden Nervenfasern liegen ebenfalls im Randbereich des Sehnervs. Die Nervenfasern aus dem zentralen Netzhautbereich sowie die aus der Makula als dem Augenbereich des schärfsten Sehens verlaufen im Innern des Sehnervs – dort sind sie von schützenden Myelinscheiden als einer lipidreichen Schicht fest umschlossen.

Kurz gesagt: ausschliesslich der Sehnerv macht Sehen möglich.

Was ist eine Sehnervenentzündung (Optikusneuritis) und wie kommt es dazu?

Entzündung ist ganz allgemein die Schutz- beziehungsweise Abwehrreaktion auf äusserliche oder innerliche Reize wie beispielsweise eine Verletzung.

Das gilt auch für eine Sehnervenentzündung (Optikusneuritis) , die fachsprachliche Opticus-Neuritis oder Neuritis nervi optici. Die Wichtigkeit des Sehnervs verdeutlicht, wie schwerwiegend seine Entzündung ist. Sie betrifft Patienten in jedem Alter, vom Kind bis zum Hochbetagten. Bei Kindern sind erfahrungsgemäss beide Augen von der Sehnerventzündung betroffen – im späteren Alter meistens nur ein Auge.

Die Sehnervenentzündung (Optikusneuritis) kann als Begleiterscheinung zu verschiedenen Krankheiten auftreten – Stichwort: enge Verknüpfung mit Multiple Sklerose. Innerhalb kürzester Zeit tritt eine Sehverschlechterung und sogar Erblindung auf.

Ursachen der Sehnerventzündung

Das Positive zuerst: Wissenschaft und Medizin haben die Ursachen der Sehnerventzündung gründlich bis abschliessend erforscht.

Zu den typischen Ursachen gehören Autoimmun-Erkrankungen wie Multiple Sklerose – das Immunsystem der Nervenfasern-Schutzschicht wird angegriffen. Dadurch wird die Übermittlung der Nervensignale an die Grosshirnrinde mehr oder weniger stark beeinträchtigt – das führt zur Entzündung des Sehnervs.

Die atypischen Entzündungen werden in die folgenden Gruppen unterteilt:

  • Medikamentenunverträglichkeit Tamoxifen bei Brustkrebs, Ethambutol bei Tuberkulose
  • Sichtbarwerden einer Autoimmunerkrankung Lupus als entzündlich-rheumatische Erkrankung
  • nach Infektion direkt oder mittelbar mit dem jeweiligen Erreger Borreliose, Syphilis, Impfung
  • Vergiftung mit Alkohol, Blei oder Nikotin

Häufigkeit

Wissenschaftliche Erkenntnisse und Studien zeigen, dass die Häufigkeit von Sehnerventzündungen ganz offensichtlich in einem Zusammenhang mit der Ethnie steht.

  • in westlichen Ländern lebende Menschen mit weisser Hautfarbe: statistisch betrachtet 4 von 100.000
  • atypische Entzündungen von Sehnerven treten im afrokaribischen Raum häufiger auf als in Europa
  • Frauen sind etwa 3,4 Mal häufiger betroffen als Männer
  • junge Erwachsene im Alter von 18 bis 45 Jahren erkranken am häufigsten

Aussagefähigere oder belastbare epidemiologische Daten zur Sehnerventzündung liegen aktuell nicht vor auch nicht seitens der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Symptome der Sehnerventzündung

  • akute Sehstörungen lassen sich nicht auf Anhieb mit einem Augenbefund erklären
  • die Sehverschlechterung als Krankheitsverlauf ist binnen weniger Stunden oder Tage möglich
  • im Gesichtsfeldbereich ist die Sehkraft überaus stark eingeschränkt
  • die verbleibende Sicht ist mit dem Blick durch einen Grauschleier vergleichbar
  • Augenschmerzen als Augendruck oder anlässlich von Augenbewegungen
  • Wahrnehmung von Lichtblitzen respektive Lichterscheinungen
  • eher selten das Uhthoff-Phänomen als temporäre Verschlimmerung der typischen Symptome von Multiple Sklerose oder als allgemeine Reduzierung der Leistungsfähigkeit unter Einfluss von Hitze respektive erhöhter Körpertemperatur

Als eine Folge von mehrfach wiederkehrenden Sehnerventzündungen kann der Sehnerv verkümmern – bis hin zu einem schleichenden Verlust der Sehfähigkeit.

Wie wird die Entzündung des Sehnervs diagnostiziert?

Es werden zwei Formen von Sehnerventzündung unterschieden – Papillitis und Retrobulbärneuritis. Papillitis ist eine Sehnerventzündung im Auge im Bereich der Papille, während Retrobulbärneuritis eine Sehnerventzündung in Augenhintergrund ist. Da eine Sehnerventzündung die Begleiterscheinung einer anderen, bereits vorhandenen Krankheit sein kann, wird im ersten Schritt eine Anamnese erstellt mit dem Ziel, die Krankengeschichte mit Vorgeschichte und Akuterkrankung zu erfassen. Die Anamnese beinhaltet Fragen und Antworten zu Vorerkrankungen, Allergien und Familienerkrankungen, zur Medikamenteneinnahme sowie zum allgemeinen Lebensverhalten privat und beruflich.

Das Ergebnis ermöglicht eine gezielte Diagnose individuell auf den betreffenden Patienten abgestellt, gleichzeitig aber auch nach allgemeinen Standards wie

Augenbeweglichkeitsprüfung

Geprüft wird die Beweglichkeit der Augen zu allen Richtungen hin, ohne den Kopf zu bewegen. Der Blick folgt dem Arzt, der ein Schreibgerät oder ein Lineal in der Hand hält und bewegt. Der Patient muss sich dazu äussern, ob er bei diesem Augenbeweglichkeitstest Schmerzen verspürt oder Doppelbilder wahrnimmt.

Augenhintergrunduntersuchung

Mit dem Augenspiegel wird die Netzhaut untersucht und beurteilt. Ein besonderes Augenmerk gilt möglichen Veränderungen der Blutgefässe an denjenigen Stellen, an denen der Sehnerv das Auge verlässt – Stichwort: Papille.

Farbwahrnehmungsprüfung

Farbwahrnehmung ist als Teil des Sehens die Fähigkeit, Unterschiede der spektralen Lichtzusammensetzung wahrzunehmen. Die Farbwahrnehmung wird anhand der Farbbildtafel geprüft. Eine Sehnerventzündung hat zur Folge, dass die mit dem Sehen wahrnehmbare Farbsättigung sichtbar nachlässt – besonders deutlich erkennbar bei der Farbe Rot.

Gesichtsfeldprüfung

Jede Sehnerventzündung schränkt das Gesichtsfeld mehr oder weniger stark ein. Mit dem Gesichtsfeld-Test wird ohne Kopfbewegung das Ausmass der Einschränkung festgestellt. Die exakte Bestimmung erfolgt mit dem Perimeter – einen ersten Anhaltspunkt gibt der Fingertest. Mit dem Perimeter werden nacheinander optische Reize aus verschiedenen Winkeln gesetzt und deren Stärke abhängig vom Winkel ausgewertet.

Netzhautuntersuchung

Unterschieden wird in die Ophthalmoskopie als die klassische Netzhautspiegelung sowie in die digitale Netzhautuntersuchung ohne Augentropfen. Beide Untersuchungsmethoden geben gleichermassen Aufschluss über eine Schädigung des Sehnerv-Kopfes.

Pupillenreaktion

Die normale Reaktion ist ein Verengen der Pupillen, sobald ein Lichtkegel auf sie gerichtet wird. Bei der Sehnerventzündung ist die Reaktion anders bis konträr – denn der entzündete Sehnerv leitet die Lichtsignale nicht an das Gehirn weiter. Die Pupillen verengen sich weniger stark – ein zunehmend starkes Entzündungsindiz für den Arzt, der beim Leuchten in die Augen die Reaktion der Pupillen beobachtet.

Sehnervleitungsprüfung

Mit der VEP-Messmethode wird die Leitungsgeschwindigkeit des Sehnervs geprüft. VEP steht für visuell evozierte Potenziale als eine Nervenmessung der Sehrinde im Bereich des hinteren Gehirnabschnittes. Exakt gemessen wird die Sehbahn von der Netzhaut bis zum hinteren Gehirnteil. Mit VEP lassen sich durch die Sehnerventzündung bedingte Nervenleitungsverzögerungen aufs Genaueste untersuchen.

Sehschärfebestimmung

Die Sehleistung wird mit einer Buchstaben- und/oder Zahlentafel diagnostiziert. Jede Sehnerventzündung mindert die Sehleistung. In der Akutphase der Entzündung ist die Niedrigkontrast-Sehschärfe am ehesten beeinträchtigt. Die Bestimmung der Sehschärfe gehört zu denjenigen Diagnosen, die schon in diesem Stadium auf eine Sehnerventzündung hinweisen – oder sie ausschliessen können.

Weitere Abklärung

Das Ergebnis zeigt dem Augenarzt, ob es sich um eine typische oder eine atypische Sehnerventzündung handelt – danach richten sich mögliche weitere Untersuchungen. Jetzt ist es entscheidend, anhand von Symptomen und Diagnostik die Sehnerventzündung von anderen Krankheiten abzugrenzen, sie zu separieren – Stichwort: Stauungspapille, andere Erkrankungen bis hin zu einer Vergiftung.

Therapie der Sehnerventzündung

Die gute Nachricht: behandelt wird ambulant in der Augenarztpraxis mit einem entzündungshemmenden Kortison, damit die Entzündung abklingt und dadurch hervorgerufene Sehbeschwerden sukzessive zurückgehen.

In der Anfangsphase wird das Kortison wahlweise als Infusion oder in Tablettenform verabreicht, anschliessend mit schrittweise reduzierter Dosierung ausschliesslich medikamentös.

Nun gilt: Zu Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Augenarzt oder Apotheker denn die Medikamente können durchaus zu individuellen Nebenwirkungen führen und Risiken beinhalten.

Eine anfängliche hoch dosierte Kortisonbehandlung wird zur laufenden Überwachung möglicher starker Nebenwirkungen oftmals stationär empfohlen.

Sofern die Entzündung des Sehnervs durch eine bakterielle Infektion hervorgerufen worden ist, empfiehlt sich in der Anfangsphase die Ergänzung mit einer antibiotische Therapie bei umsichtiger Abstimmung aller Medikamente aufeinander sowie untereinander.

Therapieverlauf und Prognose

Für jeden Patienten ist es eine Selbstverständlichkeit, diese schwerwiegende Augenerkrankung konsequent sowie unter ärztlicher Begleitung zu therapieren.

Doch Geduld ist gefragt!

Erfahrungsgemäss dauert der Heilprozess einen bis anderthalb Monate. Ungeachtet dessen muss von der dauerhaften Einschränkung einer Kontrastwahrnehmung ausgegangen werden.

Im Übrigen stellt sich dem Patienten die bange Frage nach einer Wiederholung der Sehnerventzündung in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten. Die etwas ernüchternde Antwort lautet: möglicherweise ja.

  • die statistische Wiederholungsquote liegt bei 35 Prozent
  • in Verbindung mit Multiple Sklerose beträgt das Rückfallrisiko knapp 50 Prozent
  • bei einer typischen Sehnerventzündung ohne Multiple Sklerose ist das Risiko mit rund 25 Prozent am niedrigsten

Der richtige Zeitpunkt für den Gang zum Augenarzt

  • Die Empfehlung: Vorsicht ist geboten bei jedweder Verschlechterung des Sehvermögens
  • In einer solchen Situation braucht der Betroffene ohnehin ärztliche Hilfe also sollte damit nicht gewartet werden
  • Der potenzielle Patient darf nicht selbst vermuten, rumrätseln oder gar diagnostizieren das muss schiefgehen
  • Die Sehnerventzündung als solche ist schon schlimm genug doch es kann durchaus auch noch schlimmer kommen
  • Haben Sie keine Hemmungen oder Bedenken, auch am Samstag in unsere Augenarztpraxis zu kommen wir sind jederzeit für Sie da

Zusammenfassung

Eine Neuritis nervi optici tritt in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen auf mit immer demselben Ergebnis, dass die Sehkraft stark gefährdet ist. Eine rechtzeitige augenärztliche Behandlung kann Sehnerventzündungen jedoch in vielen Fällen rückstandslos beheben die Einbusse der Sehkraft geht vollständig zurück oder es bleibt lediglich eine minimale Funktionsstörung der Augen zurück.

Für den Besuch beim Augenarzt des Vertrauens gilt: je eher, desto besser jeder Tag zählt!

Wenn Sie eine Sehnerventzündung vermuten, können Sie von Montag bis Samstag unsere Augenärzte in Chur kontaktieren. Gerne helfen wir Ihnen bei der Abklärung und der Therapie.

Quellen

  • Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 730-733.
  • Nika Bagheri, Brynn N. Wajda: The Wills Eye Manual, 7th edition, Seite 273-275.
  • Brad Bowling: KANSKIs Klinische Ophthalmologie, 8. Auflage, Seite 770-773.
  • https://www.netdoktor.ch/krankheiten/sehnerventzuendung/
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