Retrobulbäres Hämatom

Kategorien: UncategorizedPublished On: 15. Juni 2024Von 7,4 min read

Dr. med. Richard Nagy

Ärztlicher Leiter, Facharzt für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

retrobulbaeres haematom

Einleitung

Ein retrobulbäres Hämatom ist eine seltene, jedoch ernsthafte medizinische Komplikation, die durch die Ansammlung von Blut im Raum hinter dem Augapfel (retrobu

Einleitung

Ein retrobulbäres Hämatom (RBH) ist eine seltene, jedoch ernsthafte medizinische Komplikation, die durch die Ansammlung von Blut im Raum hinter dem Augapfel (retrobulbärer Raum) gekennzeichnet ist. Diese Erkrankung kann dramatische Auswirkungen, sogar teils irreversible Schäden auf das Auge und das Sehvermögen haben und erfordert oft sofortige medizinische Intervention. Das Verständnis der Ursachen, Symptome, diagnostischen Methoden und Behandlungsoptionen ist entscheidend für die Bewältigung dieser potenziell gefährlichen Situation.

Ursachen und Risikofaktoren

Trauma

Ein akutes retrobulbäres Hämatom tritt häufig als Folge eines stumpfen Traumas am Auge oder der umgebenden Orbita auf. Eine solche Fraktur mit Einblutung können bei sportlichen Aktivitäten, häuslichen Unfällen oder Verkehrsunfällen entstehen. Insbesondere Kontaktsportarten wie Boxen, Fussball oder Basketball, bei denen es zu harten Schlägen ins Gesicht kommen kann, stellen ein erhöhtes Risiko dar. Der entstehende Bluterguss entsteht durch das Reissen von Blutgefässen im retrobulbären Raum, was zu einer schnellen Blutansammlung führt.

Chirurgische Eingriffe

Eine weitere häufige Ursache für diese Verletzung sind chirurgische Eingriffe am Auge. Besonders risikoreich sind Operationen wie eine Orbitotomie, bei der ein Zugang zur Orbita geschaffen wird, oder Eingriffe zur Entfernung von Tumoren. Auch nach kosmetischen Eingriffen wie der Blepharoplastik (Augenlidkorrektur) besteht ein erhöhtes Risiko. Das Risiko steigt weiter, wenn während der Operation Blutgefässe verletzt werden oder postoperative Blutungen auftreten.

Falls die Ursache traumatisch oder durch medizinische Eingriffe der Chirurgie bedingt ist, wird eine rasche laterale Kanthotomie mit Kantholyse bevorzugt, da sie in den meisten Fällen zu einer effektiven Entlastung des Drucks führt. Diese Behandlung kann auch sehr gut vom Augenarzt in der Notaufnahme durchgeführt werden und ist unter Umständen sogar ohne vorherige Bildgebung sinnvoll. Da die Rekonstruktion der Kantholyse in der Regel unkompliziert möglich ist, empfehlen wir diese Entlastung bereits bei starkem klinischen Verdacht auf eine RBH. Falls die Kanthotomie mit Kantholyse nicht zu einer ausreichenden Entlastung des Druck führt, ist eine chirurgische Orbitadekompression erforderlich.

Blutgerinnungsstörungen

Patienten mit angeborenen oder erworbenen Blutgerinnungsstörungen haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer retrobulbären Fraktur. Dazu gehören Krankheiten wie Hämophilie oder der Einsatz von gerinnungshemmenden Medikamenten wie Warfarin oder Heparin. Diese Medikamente, die oft zur Vorbeugung von Thrombosen oder Schlaganfällen eingesetzt werden, können die Blutgerinnung so weit herabsetzen, dass selbst kleinere Verletzungen zu erheblichen Blutungen führen können.

Symptome

Die Symptome eines RBHs können je nach Schweregrad und Umfang der Blutung variieren, umfassen jedoch typischerweise eine Reihe alarmierender Anzeichen, die schnell erkannt werden müssen.

  • Plötzlicher Verlust des Sehvermögens: Ein drastischer und rascher Verlust des Sehvermögens ist eines der schwerwiegendsten Symptome und erfordert sofortige medizinische Hilfe. Dies resultiert aus dem Druck der Blutansammlung auf den Sehnerv, der unbehandelt zu dauerhaften Schäden führen kann.
  • Augenschmerzen: Patienten berichten häufig von starken Schmerzen im Bereich des Auges und der Orbita, die durch den Druck der Blutansammlung verursacht werden.
  • Exophthalmus: Das Hervortreten des Augapfels, bekannt als Exophthalmus, ist ein weiteres typisches Zeichen. Es wird durch den erhöhten Druck im retrobulbären Raum verursacht.
  • Ophthalmoplegie: Der Druck auf die Augenmuskulatur kann zu einer eingeschränkten Beweglichkeit des Auges führen, was als Ophthalmoplegie bezeichnet wird.
  • Lidödem und Hämatom: Schwellung und Bluterguss der Augenlider sind weitere sichtbare Anzeichen. Diese entstehen durch die Blutung und den nachfolgenden Entzündungsprozess im betroffenen Bereich.

Diagnostik

Die Diagnose einer solchen Fraktur erfordert eine Kombination aus gründlicher klinischer Untersuchung und fortschrittlichen bildgebenden Verfahren.

  • Anamnese und körperliche Untersuchung: Eine detaillierte Anamnese, in der die Krankengeschichte des Patienten erfasst wird, sowie eine gründliche Augenuntersuchung sind essenziell. Der Arzt wird nach vorherigen Verletzungen, Operationen und bestehenden Erkrankungen fragen, die das Risiko eines Blutergusses erhöhen könnten.
  • Bildgebende Verfahren: Bildgebende Verfahren wie die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) sind entscheidend, um das Ausmass der Blutung zu bestimmen und andere mögliche Ursachen auszuschliessen. Diese Verfahren liefern detaillierte Bilder des retrobulbären Raums und ermöglichen eine genaue Lokalisation der Blutansammlung.

Differentialdiagnosen für das Retrobulbäre Hämatom

Die Diagnose eines RBHs kann herausfordernd sein, da seine Symptome mit anderen augenärztlichen und neurologischen Erkrankungen überschneiden können. Hier sind einige wichtige Differentialdiagnosen:

Orbitales Zellulitis

Orbitales Zellulitis ist eine schwere Infektion der Augenhöhle, die zu Schwellungen, Schmerzen und Exophthalmus führen kann. Im Gegensatz zum retrobulbären Hämatom ist die Ursache bakteriell und kann von Fieber und systemischen Infektionszeichen begleitet sein. Die Diagnose wird durch klinische Anzeichen und bildgebende Verfahren unterstützt, und die Behandlung umfasst Antibiotika.

Endophthalmitis

Endophthalmitis ist eine Entzündung des Augeninneren, oft infolge einer Infektion nach einer Augenoperation oder Verletzung. Symptome umfassen starke Augenschmerzen, verminderte Sehschärfe und ein rotes Auge. Die Behandlung erfordert eine sofortige antibiotische Therapie und möglicherweise eine chirurgische Intervention.

Orbitaler Tumor

Tumore in der Orbita, wie Lymphome oder Hämangiome, können ähnliche Symptome wie ein RBH verursachen, einschliesslich Exophthalmus und Sehstörungen. Tumore entwickeln sich jedoch in der Regel langsamer und zeigen im CT oder MRT spezifische Merkmale, die sie von einem Hämatom unterscheiden.

Thyreotoxische Orbitopathie

Diese autoimmune Erkrankung ist mit der Schilddrüsenüberfunktion verbunden und führt zu einer entzündlichen Schwellung der Augenmuskeln und des Fettgewebes in der Orbita. Symptome umfassen Exophthalmus, Doppelbilder und Schmerzen. Die Diagnose wird durch klinische Untersuchung und Schilddrüsenfunktionstests gestellt.

Retrobulbäre Neuritis

Retrobulbäre Neuritis ist eine Entzündung des Sehnervs, die häufig mit Multipler Sklerose in Verbindung steht. Sie führt zu plötzlichem Sehverlust und Augenschmerzen, insbesondere bei Augenbewegungen. Eine MRT kann eine Entzündung des Sehnervs nachweisen, und die Behandlung umfasst oft Steroide.

Sinusitis

Schwere Formen der Sinusitis, insbesondere der Sinusitis ethmoidalis, können zu einer Entzündung und Schwellung der Orbita führen. Symptome umfassen Schmerzen, Fieber und manchmal Sehstörungen. Die Diagnose basiert auf klinischen Anzeichen und Bildgebung der Nebenhöhlen, und die Behandlung umfasst Antibiotika und ggf. chirurgische Drainage.

Behandlung des retobulbären Hämatoms

Die Behandlung eines retrobulbären Hämatoms hängt stark vom Schweregrad und der zugrunde liegenden Ursache ab. Eine rasche und angemessene Intervention ist entscheidend, um das Risiko für dauerhafte Schäden zu minimieren.

Notfallmassnahmen

  • Dekompression: In akuten Fällen, insbesondere bei drohendem Sehverlust, kann eine operative Dekompression notwendig sein. Dies umfasst oft eine Kanthotomie oder Kantholysis, um den Druck auf den Sehnerv schnell zu entlasten und das Risiko für dauerhafte Schäden zu reduzieren.
  • Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen können Steroide eingesetzt werden, um Entzündungen und Ödeme zu reduzieren. Zusätzlich sollte die Anwendung von blutgerinnungshemmenden Medikamenten überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, um weitere Blutungen zu verhindern.

Langfristige Therapie

  • Überwachung: Bei weniger schweren Fällen kann eine engmaschige Überwachung ausreichend sein. Regelmässige Kontrollen der Sehfunktion und des Augendrucks sind notwendig, um sicherzustellen, dass keine weiteren Komplikationen auftreten.
  • Rehabilitation: Bei bleibenden Schäden am Sehvermögen können rehabilitative Massnahmen und Hilfsmittel zur Unterstützung des Patienten erforderlich sein. Dies kann die Nutzung von Seh- und Mobilitätshilfen sowie spezialisierte Therapieformen umfassen.

Prognose

Die Prognose eines retrobulbären Hämatoms variiert je nach Schnelligkeit der Diagnose und der Einleitung der Behandlung. Eine rasche Intervention kann das Risiko für dauerhafte Sehschäden erheblich reduzieren. Unbehandelt kann ein retrobulbäres Hämatom jedoch zu permanentem Sehverlust und anderen schwerwiegenden Komplikationen führen. Langfristige Folgen wie Sehnervenatrophie oder chronische Augenschmerzen sind möglich, insbesondere wenn die initiale Behandlung verzögert wurde.

Prävention

Um das Risiko der RBH Fraktur zu minimieren, sollten verschiedene präventive Massnahmen berücksichtigt werden:

  • Schutz vor Augenverletzungen: Insbesondere bei sportlichen Aktivitäten oder gefährlichen Arbeiten ist das Tragen von Schutzbrillen oder Helmen empfehlenswert. Dies kann helfen, direkte Traumen am Auge zu vermeiden.
  • Sorgfältige Durchführung von chirurgischen Eingriffen: Eine gründliche präoperative Planung und eine sorgfältige Durchführung von Operationen im Augenbereich können das Risiko minimieren. Chirurgen sollten besonders vorsichtig sein, um Blutgefässe nicht zu beschädigen.
  • Management von Blutgerinnungsstörungen: Patienten mit bekannten Gerinnungsstörungen oder unter antikoagulativer Therapie sollten engmaschig überwacht werden. Eine angemessene Anpassung der Medikation vor operativen Eingriffen kann das Risiko für postoperative Blutungen senken.

Fazit

Das retrobulbäre Hämatom ist eine ernsthafte medizinische Notfallsituation, die sofortige Aufmerksamkeit und Behandlung erfordert. Durch rechtzeitige Diagnose und angemessene therapeutische Massnahmen kann das Risiko für dauerhafte Schäden am Auge und am Sehvermögen erheblich reduziert werden. Die Prävention und ein hohes Mass an Wachsamkeit sind entscheidend, um das Auftreten eines retrobulbären Hämatoms zu verhindern oder frühzeitig zu erkennen. Insgesamt ist das Verständnis und das Management dieser Erkrankung von grosser Bedeutung, um die bestmöglichen Ergebnisse für die betroffenen Patienten zu erzielen.

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