Nachtblindheit: Ursachen und Therapie
Dr. med. Richard Nagy
Teilen Sie diesen Artikel!
Dr. med. Richard Nagy
Teilen Sie diesen Artikel!
Inhaltsverzeichnis
Was ist Nachtblindheit?
Nachtblindheit, auch Nyktalopie oder Hemeralopie genannt, ist eine Sehbeeinträchtigung, bei der Betroffene Schwierigkeiten haben, sich bei Dunkelheit oder schwachem Licht zurechtzufinden. Diese Einschränkung kann in ihrer Ausprägung variieren, von einer leichten Beeinträchtigung bis hin zu einer nahezu vollständigen Unfähigkeit, sich in dunklen Umgebungen zu orientieren. Sie tritt auf, wenn die Stäbchenzellen der Netzhaut, die für das Sehen bei schwachem Licht verantwortlich sind, nicht richtig funktionieren. Im Alltag führt dies oft zu Unsicherheit bei der Orientierung in der Dunkelheit. Schlecht sehen in der Dämmerung kann zu erhöhtem Unfallrisiko, insbesondere beim Autofahren und einer verringerten Lebensqualität führen. Die Erkrankung kann als erworbene Nachtblindheit auftreten, beispielsweise durch einen Vitamin-A-Mangel oder andere Augenkrankheiten.
Ursachen der Nachtblindheit
Erblich bedingte Nachtblindheit
Die Erkrankung kann angeboren oder erworben sein. Die häufigste genetische Ursache für schlechtes Dämmerungssehen ist die Retinitis Pigmentosa oder auch Retinopathia Pigmentosa (RP) genannt, eine degenerative Netzhauterkrankung, bei der die Stäbchenzellen nach und nach ihre Funktion verlieren. Die angeborene Nachtblindheit führt im späteren Verlauf oft auch zu einem eingeschränkten Gesichtsfeld und kann schliesslich zur vollständigen Erblindung führen. Eine andere genetische Form ist die kongenitale stationäre Nachtblindheit, die von Geburt an besteht und nicht fortschreitet. Bei dieser angeborenen Erkrankung ist die Signalverarbeitung in der Netzhaut gestört, was zu einer dauerhaften Nachtblindheit führt, ohne dass sich die Tagessehfähigkeit verschlechtert.
Vitamin-A-Mangel
Ein Mangel an Vitamin A ist eine häufige Ursache für Nachtblindheit, besonders in Entwicklungsländern, wo Mangelernährung weit verbreitet ist. Vitamin A ist entscheidend für die Bildung von Rhodopsin, einem lichtempfindlichen Pigment, das in den Stäbchen Zellen vorkommt. Ein Defizit an diesem Vitamin kann zu einer verminderten Rhodopsinproduktion führen, was die Anpassungsfähigkeit des Auges an Dunkelheit stark beeinträchtigt. Auch in westlichen Ländern kann ein Vitamin-A-Mangel auftreten, beispielsweise bei Menschen mit bestimmten Darmerkrankungen oder nach bariatrischen Operationen.
Augenerkrankungen
Bestimmte Augenerkrankungen können ebenfalls zu Nachtblindheit führen. Dazu gehört der Katarakt (Grauer Star), bei dem die getrübte Linse das Licht nicht mehr ungehindert auf die Netzhaut passieren lässt, was insbesondere bei schwachem Licht problematisch ist. Auch Glaukom (Grüner Star) kann durch Schädigung des Sehnervs zu einer Einschränkung des Gesichtsfelds führen, was das Dämmerungssehen beeinträchtigt. Makuladegeneration betrifft primär das zentrale Sehen, kann aber auch die Fähigkeit beeinträchtigen, in dunklen Umgebungen zu sehen. So kann Nachtblindheit auch z.B. eine Folge einer verschlimmernden Kurzsichtigkeit sein.
Medikamente
Einige Medikamente können die Nachtsicht als Nebenwirkung beeinträchtigen. Dazu gehören bestimmte Mittel gegen Epilepsie und Antidepressiva, die das zentrale Nervensystem beeinflussen. Auch Medikamente, die die Pupillen verengen oder den Tränenfilm der Augen beeinflussen, können indirekt das Dämmerungssehen der Augen verschlechtern. Es ist wichtig, mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten zu beachten und diese mit dem behandelnden Arzt bzw. Augenarzt zu besprechen.
Symptome der Nachtblindheit
Menschen, die Nachtblind sind haben häufig Schwierigkeiten, sich in dunklen Umgebungen zu orientieren. Typische Symptome sind:
- Schwierigkeiten bei der Orientierung: Betroffene benötigen mehr Licht, um sich zurechtzufinden. In schlecht beleuchteten Umgebungen, wie auf der Strasse bei Nacht, fühlen sie sich unsicher.
- Verzögerte Anpassung: Beim Wechsel von einer hellen in eine dunkle Umgebung dauert es länger, bis die Augen sich an die neuen Lichtverhältnisse angepasst haben.
- Blendeempfindlichkeit: Lichtquellen wie Scheinwerfer oder Strassenlaternen werden als besonders störend empfunden. Dies kann zu Unbehagen und einem eingeschränkten Sichtfeld führen.
- Eingeschränkte Sicht: Bei schwachem Licht sind Kontraste schwer zu erkennen, was das Erkennen von Details erschwert.
Diese Symptome können die Betroffenen erheblich einschränken und das Risiko für Unfälle, insbesondere im Strassenverkehr oder bei Nachtspaziergängen, erhöhen.
Diagnostik der Nachtblindheit
Die Diagnose der Nachtblindheit beginnt mit einer ausführlichen Anamnese der Augen, in der der Arzt die Krankengeschichte des Patienten, familiäre Vorerkrankungen und mögliche Risikofaktoren erfragt. Anschliessend werden spezifische Untersuchungen durchgeführt:
Sehtests und Gesichtsfeldmessungen
Diese Tests helfen, die Sehschärfe und das Gesichtsfeld zu beurteilen. Sie geben Aufschluss darüber, wie stark die Nachtsicht beeinträchtigt ist und ob auch das Tagessehen betroffen ist.
Funduskopie
Durch die Untersuchung des Augenhintergrunds können Veränderungen an der Netzhaut erkannt werden. Dies ist besonders wichtig, um Erkrankungen wie die Retinitis Pigmentosa oder eine Makuladegeneration zu diagnostizieren.
Elektronische Netzhautuntersuchung (ERG)
Diese Untersuchung misst die elektrische Aktivität der Netzhautzellen und kann Aufschluss darüber geben, wie gut die Stäbchen- und Zapfenzellen funktionieren. Sie ist besonders hilfreich bei der Diagnose von erblichen Netzhauterkrankungen.
Blutuntersuchungen
Um einen Vitamin-A-Mangel oder andere systemische Ursachen der Nachtblindheit auszuschliessen, können Bluttests durchgeführt werden. Dabei wird der Vitamin-A-Spiegel im Blut gemessen, ebenso wie andere relevante Parameter, die auf eine zugrunde liegende Erkrankung hinweisen könnten.
Behandlung der Nachtblindheit
Die Behandlung der Sehschwäche Nachtblindheit richtet sich nach der jeweiligen Ursache und umfasst verschiedene Ansätze:
Vitamin-A-Mangel
Wenn ein Vitamin-A-Mangel die Ursache der Nachtblindheit ist, kann eine gezielte Vitamin-A-Supplementierung oft eine deutliche Verbesserung bewirken. In Entwicklungsländern, wo Vitamin-A-Mangel weit verbreitet ist, werden häufig Präventionsprogramme durchgeführt, um Betroffene frühzeitig zu behandeln und das Risiko von Nachtblindheit und anderen damit verbundenen Komplikationen zu reduzieren.
Erbliche Formen
Für genetisch bedingte Nachtblindheit gibt es derzeit keine Heilung. Die Behandlung der Augen beschränkt sich auf unterstützende Massnahmen, die den Alltag erleichtern können. Dazu gehören spezielle Sehhilfen wie Restlichtverstärker oder Nachtsichtgeräte sowie Schulungen zur besseren Orientierung in dunklen Umgebungen. Forschungsergebnisse aus der Gentherapie könnten in Zukunft neue Möglichkeiten eröffnen, diese Augenerkrankung zu behandeln, doch sind solche Ansätze bisher noch nicht klinisch etabliert.
Operationen
Bei bestimmten Augenerkrankungen, wie dem Katarakt, kann eine Augen Operation das Sehvermögen verbessern. Die Entfernung der getrübten Linse und der Einsatz einer künstlichen Linse kann das Sehen bei schlechten Lichtverhältnissen wiederherstellen. Auch bei einem Glaukom kann eine frühzeitige Behandlung helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Nachtsicht zu erhalten.
Anpassung des Lebensstils
Menschen mit Nachtblindheit sollten ihren Alltag an die veränderten Bedingungen der Sehfähigkeit anpassen. Dies kann bedeuten, Autofahren bei Dämmerung und Nacht zu vermeiden und alternative Transportmöglichkeiten zu nutzen. In der Wohnung sollten stark frequentierte Bereiche gut beleuchtet sein, um Unfälle zu verhindern. Der Einsatz von Bewegungsmeldern und eine gute Beleuchtung im Aussenbereich können ebenfalls hilfreich sein. Auch das Mitführen einer Taschenlampe für den Notfall kann sich als nützlich erweisen. Eine Brille mit Blaufilter (Lotus-Kontrast) oder sanft getönten Gläsern vermindert den Blaulichtanteil und das Streulicht in der Nacht. Dadurch wird der Kontrast erhöht und die Blendung reduziert.
Prävention und Ausblick
Obwohl nicht alle Formen der Nachtblindheit vermeidbar sind, gibt es Massnahmen, die das Risiko verringern können. Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Vitamin A ist, ist wichtig, um einem Mangel vorzubeugen. Regelmässige Augenuntersuchungen sind insbesondere für Menschen mit familiärer Vorbelastung oder bestehenden Augenerkrankungen ratsam, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Zudem sollten Augen vor intensiver Sonneneinstrahlung geschützt werden, da UV-Licht die Netzhaut schädigen kann.
Fazit
Nachtblindheit ist eine Erkrankung, die das Leben der Betroffenen erheblich einschränken kann. Die Ursachen sind vielfältig, und während manche Formen behandelbar sind, lassen sich genetisch bedingte Formen nicht heilen. Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend, um geeignete Massnahmen zu ergreifen und die Lebensqualität zu verbessern. Anpassungen im Lebensstil und unterstützende Hilfsmittel können helfen, mit den Einschränkungen umzugehen. Die Forschung arbeitet intensiv an neuen Therapien, die in Zukunft möglicherweise eine Behandlung für erbliche Formen der Nachtblindheit ermöglichen könnten. Bis dahin bleibt es wichtig, die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen zu berücksichtigen und sie bestmöglich zu unterstützen. Wer das Gefühl hat, im dunkeln schlecht zu sehen oder eine hohe Blendempfindlichkeit hat zu, sollte einen Augenarzt aufsuchen. Der Verdacht auf Nachtblindheit lässt isch gut untersuchen.