Myasthenie und Augen

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenPublished On: 31. Dezember 2023Von 5,6 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

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Myasthenie und Augen: Was ist Myasthenie?

Myasthenie, besonders in ihrer bekanntesten Form, der Myasthenia gravis, ist eine chronische Krankheit, die das neuromuskuläre System betrifft. Charakteristisch für diese Krankheit ist eine ausgeprägte Schwäche und Ermüdung der Skelettmuskulatur. Diese Symptome entstehen durch eine Fehlfunktion an den neuromuskulären Verbindungsstellen, wo normalerweise Nervenimpulse effizient auf die Muskelfasern übertragen werden. Bei Myasthenia gravis wird diese Übertragung durch Antikörper gestört, die gegen spezifische Rezeptoren an der Muskeloberfläche gerichtet sind. Die Ursachen der Myasthenie sind vielfältig und umfassen genetische Prädispositionen sowie Umweltfaktoren. Interessanterweise treten bei Myasthenia gravis oft Perioden der Remission auf, in denen sich die Symptome vorübergehend verbessern oder sogar vollständig verschwinden können.

Die Übertragung von Erregungen am nikotinergen Acetylcholin-Rezeptor im Skelettmuskel wird durch Antikörper blockiert. Diese Antikörper können mittels geeigneter Methoden im Serum eines Großteils der Patienten nachgewiesen werden.

Die Thymusdrüse wird als Ort der Antikörperbildung bei den meisten Patienten angesehen. Etwa 80 % der Patienten zeigen eine Veränderung des Thymus: Etwa 65 % haben eine Thymushyperplasie, während es bei etwa 10 bis 15 % zu einem Thymom kommt.

Die im Blut zirkulierenden Antikörper binden an den Acetylcholin Rezeptor und aktivieren das Komplementsystem, was letztendlich zur Zerstörung der postsynaptischen Membran führt.

Okuläre Myasthenie: Ein spezieller Fall

Okuläre-Myasthenie ist eine Form der Myasthenia gravis, die sich ausschliesslich auf die Augenmuskulatur beschränkt. Diese Form der Krankheit ist besonders tückisch, da sie oft mit weniger offensichtlichen Symptomen beginnt und daher leicht mit anderen Augenleiden verwechselt werden kann. Die okuläre-Myasthenie ist in der Regel die erste Manifestation der Myasthenia gravis und kann ein Vorläufer für die Generalisierung der Krankheit sein, bei der andere Muskelgruppen betroffen werden. Frühzeitige Diagnose und Behandlung sind bei der okulären Myasthenie besonders wichtig, da sie die Progression der Krankheit beeinflussen und die Entwicklung weiterer Symptome verzögern können.

Symptome der okulären Myasthenie (Myasthenie am Auge)

Die Symptome sind vielfältig und können von Patient zu Patient variieren. Zu den häufigsten gehören:

  • Ptosis: Ein charakteristisches Merkmal ist das Herabhängen eines oder beider Augenlider, das oft asymmetrisch auftritt. Diese Ptosis kann im Laufe des Tages variieren und sich nach Ruhephasen verbessern.
  • Doppelbilder (Diplopie): Diese entstehen, wenn die Schwäche der Augenmuskeln dazu führt, dass die Augen nicht mehr synchron bewegt werden können. Besonders beim Blick nach oben oder zur Seite kann dies auffällig werden.
  • Schwierigkeiten beim Fokussieren: Betroffene berichten oft von Problemen, sowohl bei der Nahsicht als auch bei der Fernsicht, was alltägliche Tätigkeiten wie Lesen oder Autofahren erschwert.
  • Müdigkeit der Augen: Dies äussert sich oft in einem brennenden Gefühl in den Augen, vor allem nach langen Perioden der Konzentration, wie bei der Bildschirmarbeit.

Diagnostik

Die Diagnose ist oft eine Herausforderung und erfordert eine sorgfältige Untersuchung und Analyse der Symptome:

  • Bluttests: Diese Tests sind entscheidend, um spezifische Antikörper zu identifizieren, die bei Myasthenia gravis oft vorhanden sind.
  • Elektromyographie (EMG): Diese Methode prüft die elektrische Aktivität in den Muskeln und kann Anomalien aufdecken, die für Myasthenie typisch sind.
  • Edrophonium-Test: Die Verabreichung von Edrophonium, einem Medikament, das kurzzeitig die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln verbessert, kann eine schnelle, wenn auch temporäre, Linderung der Symptome bewirken und damit auf Myasthenie hindeuten.
  • Bildgebende Verfahren: Methoden wie MRT werden eingesetzt, um andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschliessen.

Differentialdiagnostik

Bei der Behandlung von Symptomen, die auf eine okuläre-Myasthenie hinweisen, ist es entscheidend, andere mögliche Krankheiten zu berücksichtigen, da diese ähnliche Symptome verursachen können. Diese sogenannten Differentialdiagnosen umfassen eine Reihe von Zuständen, die von neurologischen Störungen bis hin zu Krankheiten des Sehorgans selbst reichen können. Hier sind einige der wichtigsten Differentialdiagnosen, die bei Patienten mit Verdacht auf okuläre Myasthenie in Betracht gezogen werden sollten:

1. Andere Neurologische Erkrankungen

  • Multiple Sklerose (MS): Diese Krankheit des Zentralnervensystems kann ähnliche Symptome wie Doppelbilder und Ptosis verursachen, allerdings sind bei MS häufig auch andere neurologische Symptome präsent.
  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Obwohl ALS hauptsächlich die motorischen Neuronen betrifft, können einige Symptome denen der Myasthenia gravis ähneln, insbesondere in den späteren Stadien.
  • Guillain-Barré-Syndrom: Dies ist eine seltene Störung, bei der das körpereigene Immunsystem die Nerven angreift, was zu Muskelschwäche und -ermüdung führen kann.

2. Erkrankungen der Augen und Orbita

  • Orbitale Myositis: Eine Entzündung der Muskulatur der Augen, die zu Schmerzen, Schwellungen und Doppelbildern führen kann.
  • Graves’ Ophthalmopathie: Diese mit der Schilddrüsenerkrankung Morbus Graves assoziierte Erkrankung kann zu Augensymptomen wie Exophthalmus (Hervortreten der Augen), Doppelbildern und Lidretraktion führen.
  • Hornhauterkrankungen: Bestimmte Hornhauterkrankungen können Sehstörungen verursachen, die fälschlicherweise als Myasthenie interpretiert werden könnten.

3. Muskuläre und Bindegewebeerkrankungen

  • Ophthalmoplegische Migräne: Eine seltene Form der Migräne, die Augenmuskellähmungen verursachen kann, was zu Symptomen wie Ptosis und Diplopie führt.
  • Lambert-Eaton-Myasthenisches Syndrom (LEMS): Eine Störung, die ähnliche Symptome wie Myasthenia gravis verursacht, aber in der Regel mit einer zugrundeliegenden Krebserkrankung assoziiert ist.

4. Infektionen

  • Botulismus: Diese seltene, aber ernste Erkrankung, verursacht durch das Bakterium Clostridium botulinum, führt zu Muskelschwäche und kann Augensymptome wie bei der Myasthenie verursachen.

5. Toxische und Medikamenten-induzierte Ursachen

  • Medikamenten-Nebenwirkungen: Bestimmte Medikamente, wie zum Beispiel solche, die zur Behandlung von bipolaren Störungen oder Epilepsie eingesetzt werden, können Symptome verursachen, die denen der okulären Myasthenie ähneln.

Behandlung der okulären Myasthenie

Die Therapiemöglichkeiten zielen darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern. Dazu gehören:

  • Medikamentöse Therapie: Cholinesterasehemmer wie Pyridostigmin werden häufig eingesetzt, um die Muskelkraft zu verbessern. Immunsuppressiva können ebenfalls nötig sein, um die zugrunde liegende Autoimmunreaktion zu kontrollieren.
  • Thymektomie: Die chirurgische Entfernung des Thymus, einer Drüse im Brustbereich, kann bei einigen Patienten zur Symptomverbesserung führen, obwohl der Mechanismus noch nicht vollständig verstanden ist.
  • Anpassungen im Lebensstil: Ruhepausen, Stressreduktion und der Einsatz von Hilfsmitteln wie speziellen Brillen können die Symptome erleichtern.
  • Augentropfen oder -salben: Zur Behandlung des trockenen Auges, das durch das unvollständige Schliessen der Augenlider entsteht.

Schlussfolgerung: Myasthenie und Augen

Myasthenia gravis ist eine Autoimmunerkrankung. Eine frühzeitige Diagnose und eine angemessene Behandlung sind von grösster Bedeutung, um die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten. Es ist entscheidend, dass Patienten eng mit ihren Ärzten zusammenarbeiten, um die beste individuelle Behandlungsstrategie zu entwickeln und regelmässig den Verlauf der Erkrankung zu überwachen. Die Forschung zu Myasthenia gravis und insbesondere zur okulären Myasthenie schreitet stetig voran, und es besteht die Hoffnung, dass zukünftige Entwicklungen zu noch effektiveren Behandlungsmöglichkeiten führen werden.

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