Marfan-Syndrom und Augen

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenPublished On: 8. Oktober 2023Von 5,4 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

marfan syndrom und augen

Was ist das Marfan-Syndrom?

Das Marfan-Syndrom ist eine erbliche Erkrankung, die das Bindegewebe beeinflusst, welches die Struktur und Unterstützung für unterschiedliche Teile des Körpers – von Arterien bis hin zu Knochen – bereitstellt. Die Krankheit kann zahlreiche Organsysteme des Körpers betreffen und zeigt eine beträchtliche Variabilität in der Ausprägung der Symptome.

Ursachen und Genetik

Das Marfan-Syndrom resultiert aus Mutationen im FBN1-Gen auf Chromosom 15. Dieses spezifische Gen kodiert für das Protein Fibrillin-1, ein wesentliches Strukturprotein des Bindegewebes. Fehlfunktionen in Fibrillin-1 können zu Schwächen in den Kollagenstrukturen des Körpers führen, was die verschiedenen Symptome des Marfan-Syndroms erklärt. Die meisten Menschen mit Marfan erben den Zustand von einem Elternteil, aber etwa 25% der Fälle treten spontan auf, ohne bekannte familiäre Vorgeschichte.

Symptome und Zeichen des Marfan-Syndroms

Das Marfan-Syndrom kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen in unterschiedlichen Körperbereichen manifestieren:

  • Skelettsystem: Oft haben Betroffene eine überdurchschnittlich lange Statur mit unverhältnismässig langen Armen, Beinen, Fingern und Zehen (Arachnodaktylie). Weitere Anzeichen sind übermässig flexible Gelenke, eine abnorm geformte Brust, flache Füsse und Skoliose.
  • Augen: Die häufigste Augenkomplikation ist die Linsenluxation, bei der sich die Linse von ihrem normalen Platz verschiebt. Dies kann zu schweren Sehproblemen führen. Darüber hinaus sind auch andere Probleme wie Myopie, Glaukom und Netzhautablösungen verbreitet.
  • Herz und Blutgefässe: Eine der ernsthaftesten Manifestationen des Marfan-Syndroms ist die Dilatation der Aorta, die grösste Arterie des Körpers. Wenn diese Erweiterung unkontrolliert fortschreitet, kann sie zu einem Aortenriss führen, einer lebensbedrohlichen Situation. Herzklappenanomalien sind ebenfalls häufig.
  • Lunge: Ein Pneumothorax, bei dem sich die Lunge plötzlich entfaltet, kann auftreten. Das Risiko für Schlafapnoe und Emphysem kann ebenfalls erhöht sein.
  • Haut: Die Haut kann ungewöhnlich elastisch sein. Zudem können sich leicht Dehnungsstreifen bilden, selbst ohne signifikante Gewichtszunahme oder Schwangerschaft.

Augenbeteiligung beim Marfan-Syndrom

Das Marfan-Syndrom, eine genetisch bedingte Erkrankung des Bindegewebes, beeinflusst nicht nur das kardiovaskuläre und muskuloskelettale System, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Augen. Die Augenbeteiligung ist oft eines der ersten und auffälligsten Zeichen dieser Erkrankung und kann eine Vielzahl von Symptomen und Komplikationen hervorrufen.

  • Linsenluxation: Die Linsenluxation ist eine der bekanntesten ophthalmologischen Manifestationen des Marfan-Syndroms. Hierbei handelt es sich um die Verlagerung oder Dislokation der Augenlinse von ihrer normalen Position. Bei Menschen mit Marfan-Syndrom tendiert die Linse dazu, sich in die superotemporale Richtung zu verlagern, das heisst, sie verschiebt sich nach oben und aussen. Diese Verlagerung kann zu Sehstörungen führen, da die Linse nicht mehr korrekt ausgerichtet ist und das Licht nicht mehr präzise auf die Netzhaut fokussiert wird. Das Resultat kann verschwommenes oder verzerrtes Sehen sein, und in schweren Fällen kann die verlagerte Linse sogar operativ entfernt und durch eine künstliche Linse ersetzt werden.
  • Myopie (Kurzsichtigkeit): Viele Menschen mit Marfan-Syndrom sind kurzsichtig. Bei der Myopie ist das Auge in der Regel länger als ein normales Auge, was dazu führt, dass das Licht, das in das Auge eintritt, vor der Netzhaut fokussiert wird. Das Ergebnis ist ein unscharfes Sehen von weit entfernten Objekten.
  • Erhöhtes Risiko für Netzhautablösung: Aufgrund der vorher genannten Myopie und der damit verbundenen länglichen Augenform besteht bei Menschen mit Marfan-Syndrom ein erhöhtes Risiko für Netzhautablösungen. Dies ist ein ernsthafter Zustand, bei dem sich die Netzhaut vom hinteren Teil des Auges löst. Es kann zu einem plötzlichen Sehverlust führen und erfordert dringend medizinische Intervention.
  • Glaukom: Das Marfan-Syndrom kann auch das Risiko für ein Glaukom erhöhen. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, bei der ein erhöhter Augeninnendruck den Sehnerv schädigt, was zu Sehverlust führen kann.
  • Früh einsetzende Katarakte: Einige Menschen mit Marfan-Syndrom entwickeln in jüngerem Alter Katarakte, wobei die Linse des Auges trüb wird und das Sehen beeinträchtigt.

Diagnose

Die Diagnose des Marfan-Syndroms ist oft komplex und basiert auf einer Kombination von klinischen Anzeichen und Symptomen sowie genetischen Tests. Eine gründliche Familienanamnese kann Hinweise auf den Zustand geben. Bildgebende Verfahren, insbesondere die Echokardiographie zur Untersuchung der Aorta, sind entscheidend für die Diagnose und das Management.

Behandlung und Management

Da das Marfan-Syndrom eine genetische Erkrankung ist, gibt es keine Heilung. Die Behandlung konzentriert sich darauf, die Symptome zu lindern und Komplikationen vorzubeugen:

  • Medikamentöse Therapie: Medikamente, insbesondere Betablocker oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker, können helfen, den Blutdruck zu regulieren und das Risiko von Aortenkomplikationen zu reduzieren.
  • Chirurgische Interventionen: Bei signifikanter Aortenerweiterung oder bei Anzeichen eines drohenden Risses kann eine Operation erforderlich sein. Augenchirurgie kann auch notwendig sein, wenn die Linse verschoben ist.
  • Regelmässige Überwachung: Es ist wichtig, dass Betroffene regelmässige Kontrollen durchführen, um potenzielle Komplikationen frühzeitig zu erkennen.

Lebenserwartung und Lebensqualität

Mit adäquater medizinischer Betreuung können viele Menschen mit Marfan-Syndrom ein normales oder nahezu normales Leben führen. Das Bewusstsein und die frühzeitige Behandlung von Komplikationen sind jedoch entscheidend für die Verbesserung der Lebenserwartung.

Zusammenfassung

Das Marfan-Syndrom ist eine genetische Störung, die das Bindegewebe des Körpers beeinflusst und eine breite Palette von Symptomen in verschiedenen Organen und Geweben verursacht. Dieses Syndrom entsteht durch Mutationen im FBN1-Gen, das für das Protein Fibrillin-1 verantwortlich ist. Dieses Protein spielt eine zentrale Rolle im Bindegewebe, welches für die Struktur und Elastizität vieler Teile unseres Körpers, einschliesslich der Augen, verantwortlich ist.

Ein signifikantes Merkmal des Marfan-Syndroms sind die Augenbeteiligungen. Eine der auffälligsten und am häufigsten auftretenden Augenkomplikationen ist die Linsenluxation. Dabei handelt es sich um eine Verschiebung der Linse aus ihrer normalen Position, die zu verschwommenem oder verzerrtem Sehen führen kann. Zudem sind viele Personen mit Marfan-Syndrom kurzsichtig, was als Myopie bezeichnet wird.

Diese Kurzsichtigkeit kann zu weiteren Komplikationen führen, insbesondere zu einem erhöhten Risiko für Netzhautablösungen. Ein weiteres potentielles Problem ist das Glaukom, bei dem sich der Druck im Inneren des Auges erhöht, was den Sehnerv schädigen und im schlimmsten Fall zu Blindheit führen kann. Frühe Kataraktentwicklung, bei der die Augenlinse trübe wird, kann ebenfalls bei Menschen mit Marfan auftreten.

Da die Augensymptome beim Marfan-Syndrom so vielfältig und potenziell schwerwiegend sein können, ist eine regelmässige Überwachung und Untersuchung durch Augenspezialisten von entscheidender Bedeutung. Bei Fragen, Bedenken oder zur regelmässigen Überprüfung ihrer Sehgesundheit stehen die Augenärzte in Chur den Betroffenen und ihren Familien immer zur Seite.

Quellen

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