Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie (LHON)

Kategorien: SehnervPublished On: 17. November 2023Von 8 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

Mehr über mich und meine Karriere finden Sie auf meiner Profilseite

Teilen Sie diesen Artikel!

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

Mehr über mich und meine Karriere finden Sie auf meiner Profilseite

Teilen Sie diesen Artikel!

Inhaltsverzeichnis

lebersche hereditaere optikusneuropathie lhon

Einleitung zur Leberschen Hereditären Optikusneuropathie (LHON)

Die Lebersche Hereditäre Optikusatrophie (kurz LHON) ist eine seltene genetische, neurologische Störung, die primär das Sehvermögen beeinträchtigt. Sie wurde nach dem deutschen Augenarzt Theodor Leber benannt, der die Krankheit im 19. Jahrhundert entdeckte. LHON ist charakterisiert durch eine fortschreitende Degeneration des Sehnervs, die zu einem akuten oder allmählichen Verlust des zentralen Sehvermögens führt. Diese Erkrankung betrifft typischerweise junge Erwachsene zwischen 15 und 35 Jahren und ist eine der Hauptursachen für Erblindung in dieser Altersgruppe. LHON ist eine mitochondriale Erkrankungen, weil die genetischen Mutationen, die sie verursachen, in der mitochondrialen DNA (mtDNA) stattfinden. Die mtDNA wird ausschliesslich vom weiblichen Mutationsträger vererbt, was bedeutet, dass die Erbkrankheit von der Mutter auf alle Kinder übertragen werden kann, jedoch nur die Kinder Symptome entwickeln, die die Mutationen geerbt haben.

Genetik, Ursachen und Vererbung von LHON

Die Ursache der LHON ist dir spezifische Punktmutationen in der mitochondrialen DNA. Die häufigsten Mutationen, die mit LHON in Verbindung gebracht werden, sind G11778A im Gen MT-ND4, G3460A im Gen MT-ND1 und T14484C im Gen MT-ND6. Diese Gene kodieren für Komponenten des Elektronentransportkomplexes, der eine zentrale Rolle bei der Energieproduktion in den Zellen spielt. Die Mutationen führen zu einer ineffizienten Energieproduktion und erhöhen die Produktion reaktiver Sauerstoffspezies, was wiederum die Zellen des Sehnervs schädigt. Interessanterweise führen nicht alle Mutationsträger zu Symptomen, was darauf hinweist, dass zusätzliche Umweltfaktoren, genetische oder metabolische Faktoren zur Ausprägung der Krankheit beitragen können. Rauchen und Alkoholkonsum wurden beispielsweise als Risikofaktoren für die Entwicklung von LHON bei Trägern der Mutation identifiziert.

Symptome und Diagnose der Leberschen Hereditären Optikusneuropathie

Der Beginn der Krankheit  LHON ist typischerweise mit einem abrupten oder schleichenden Verlust des zentralen Sehvermögens bei dem zunächst ein Auge betroffen ist. Innerhalb weniger Wochen bis Monate tritt häufig ein ähnlicher Visusverlust im zweiten Auge auf. Dieser Sehverlust ist in der Regel dauerhaft und kann von einer verminderten Farbwahrnehmung und erhöhten Blendempfindlichkeit begleitet sein. Dieser Visusverlust geschieht innerhalb von Wochen. Der Verlust des Sehvermögens resultiert aus der Schädigung und dem anschliessenden Untergang der retinalen Ganglienzellen in der Retina sowie des Sehnervs. Die Diagnose von LHON basiert auf einer Kombination aus Symptomen, Familienanamnese und genetischer Testung. Bildgebende Verfahren wie die optische Kohärenztomographie (OCT) können verwendet werden, um die typischen Veränderungen im Sehnerv und in der Netzhaut zu dokumentieren, die mit LHON in Verbindung stehen.

Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie: Stadien

Die Entwicklung der Lebersche Hereditäre Optikus-neuropathie(LHON) kann in vier Hauptstadien unterteilt werden, die den Verlauf der Erkrankung und die Veränderungen im Sehvermögen beschreiben. Diese Stadien sind besonders wichtig, um die Progression der Erkrankung zu verstehen und geeignete Behandlungsstrategien zu entwickeln:

Stadium 1: Präsymptomatisches Stadium

Im präsymptomatischen Stadium zeigen Träger der genetischen Mutationen, die LHON verursachen, noch keine sichtbaren Symptome der Erkrankung. In dieser Phase haben die Betroffenen ein normales Sehvermögen. Dieses Stadium kann von Geburt an bis zum Beginn der Symptome dauern, was oft im frühen Erwachsenenalter geschieht. Obwohl keine Symptome vorliegen, können bereits subtile Veränderungen auf zellulärer Ebene im Sehnerv und in der Netzhaut stattfinden. Diese Veränderungen sind jedoch mit den üblichen augenärztlichen Untersuchungen nicht erkennbar.

Stadium 2: Akutes oder Subakutes Stadium

Dieses Stadium ist gekennzeichnet durch den Beginn der Symptome, typischerweise den plötzlichen oder allmählichen Verlust des zentralen Sehvermögens. Dieser Verlust kann innerhalb von Tagen bis Wochen fortschreiten und betrifft zunächst meist ein Auge, gefolgt vom anderen Auge, oft innerhalb weniger Monate. Die Betroffenen erleben eine erhebliche Verschlechterung des Sehvermögens, was zu Schwierigkeiten beim Lesen, Erkennen von Gesichtern und anderen alltäglichen Aktivitäten führt. In diesem Stadium können auch Symptome wie Schmerzen beim Bewegen der Augen, eine reduzierte Farbwahrnehmung und eine erhöhte Blendempfindlichkeit auftreten.

Stadium 3: Chronisches Stadium

Nach dem anfänglichen akuten Verlust des Sehvermögens tritt die Erkrankung in ein chronisches Stadium ein. In diesem Stadium stabilisiert sich das Sehvermögen, aber die meisten Patienten bleiben erheblich sehbeeinträchtigt. Die Sehschärfe variiert zwischen den Betroffenen, wobei einige eine leichte Sehverschlechterung und andere eine fast vollständige Erblindung erleben. Während des chronischen Stadiums können Anpassungen im Lebensstil und der Einsatz von Hilfsmitteln erforderlich sein, um den Alltag der Betroffenen zu erleichtern.

Stadium 4: Spät- oder Regenerationsstadium

In einigen Fällen kann es im Spätstadium der Leber Hereditärer Optikusneuropathie zu einer teilweisen Wiederherstellung des Sehvermögens kommen. Dieses Stadium ist jedoch nicht bei allen Betroffenen vorhanden und die Ausmasse der Sehverbesserung sind sehr variabel. Die Wiederherstellung kann spontan erfolgen oder als Reaktion auf Behandlungen wie Idebenon. Allerdings erreichen nur wenige Betroffene eine vollständige Genesung ihres Sehvermögens. Forschungen zur Entwicklung neuer Therapien konzentrieren sich darauf, dieses Stadium zu verstärken und eine effektivere Regeneration des Sehvermögens zu ermöglichen.

Jedes Stadium der LHON erfordert eine spezifische Herangehensweise in Bezug auf Diagnose, Behandlung und Unterstützung. Ein besseres Verständnis dieser Stadien und ihrer spezifischen Herausforderungen ist entscheidend, um effektive Behandlungsstrategien zu entwickeln und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Differentialdiagnosen

Differentialdiagnosen bei Leberscher Hereditärer Optikusneuropathie (LHON) sind wichtig, da die Symptome von LHON, insbesondere der plötzliche Sehverlust, auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Die korrekte Diagnose ist entscheidend für eine angemessene Behandlung und Beratung. Hier sind einige der wichtigsten Differentialdiagnosen für LHON:

  • Optikusneuritis: Eine Entzündung des Sehnervs, oft assoziiert mit Multipler Sklerose. Optikusneuritis verursacht typischerweise Schmerzen beim Bewegen der Augen und kann zu einem plötzlichen Sehverlust führen.
  • Ischämische Optikusneuropathie (ION): Eine Erkrankung, die durch eine unzureichende Blutversorgung des Sehnervs gekennzeichnet ist. Die vordere ischämische Optikusneuropathie (AION) und die hintere ischämische Optikusneuropathie (PION) sind die beiden Hauptformen.
  • Toxische Optikusneuropathie: Verursacht durch toxische Substanzen wie Methanol, Ethambutol (ein Tuberkulose-Medikament) oder übermässigen Alkohol- und Tabakkonsum. Diese Form der Optikusneuropathie führt oft zu bilateralen visuellen Störungen.
  • Nutritive Optikusneuropathie: Dies tritt aufgrund von Ernährungsmängeln auf, insbesondere einem Mangel an Vitamin B12, Folsäure oder Thiamin. Es ist häufig mit Alkoholismus und Malabsorptionssyndromen verbunden.
  • Kompressive Optikusneuropathie: Verursacht durch Tumore oder andere Läsionen, die auf den Sehnerv drücken. Die Symptome hängen von der Lage und Grösse der Läsion ab.
  • Hereditäre Optikusneuropathien: Andere genetische Formen wie die autosomal-dominante Optikusatrophie (ADOA), verursacht durch Mutationen in anderen Genen als denjenigen, die LHON verursachen.
  • Glaukom: Insbesondere bei normaler oder niedriger Augeninnendruck kann es zu einer schleichenden Schädigung des Sehnervs kommen, was zu einem allmählichen Sehverlust führt.
  • Entzündliche und infektiöse Erkrankungen: Bestimmte Systemerkrankungen wie Sarkoidose oder Infektionen wie Syphilis oder Lyme-Borreliose können auch den Sehnerv beeinträchtigen.

Bei Verdacht auf LHON ist es wichtig, diese und andere mögliche Ursachen eines Sehverlusts sorgfältig zu evaluieren. Eine gründliche Anamnese, klinische Untersuchung und ggf. ergänzende bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen sind unerlässlich, um die genaue Ursache der Symptome zu ermitteln und eine geeignete Behandlung einzuleiten.

Behandlung und Management

Die Behandlung von LHON ist derzeit symptomatisch und unterstützend, da es keine Heilung gibt. Idebenon, ein Medikament, das den mitochondrialen Stoffwechsel anregt, hat in einigen Studien eine gewisse Wirksamkeit gezeigt. Der Wirkstoff zeigt insbesondere insbesondere Wirkung bei einem frühen Krankheitsverlauf. Mit dieser zugelassenen Therapie des Medikaments Idebenon, welche schmerzlos erfolgt, kann der Sehverlust stabilisiert oder in einigen Fällen eine teilweise Erholung des Sehvermögens und Verbesserung der Sehschärfe zu ermöglicht werden. Die Behandlung von Sehstörungen sollte schnellstmöglich erfolgen. Die Vermeidung von Risikofaktoren wie Rauchen und Alkoholkonsum ist ebenfalls wichtig, da diese Faktoren den Zustand verschlimmern können. Zusätzlich zu medikamentösen Behandlungen können visuelle Hilfsmittel, Anpassungen am Arbeitsplatz und zu Hause, berufliche Umschulung und psychologische Unterstützung wichtig sein, um den Betroffenen zu helfen, sich an das Leben mit eingeschränktem Sehvermögen anzupassen.

Forschung und Zukunftsausblick

Die Forschung zu LHON konzentriert sich auf ein besseres Verständnis der Krankheitsmechanismen und die Entwicklung neuer Therapieansätze. Gen- und Stammzelltherapien sind vielversprechende Forschungsgebiete, die möglicherweise in der Zukunft zur Behandlung bei Patienten mit Leberscher Hereditärer Optikusneuropathie eingesetzt werden könnten. Solche Therapien zielen darauf ab, die defekten Gene zu reparieren oder zu ersetzen oder beschädigte Zellen zu regenerieren. Ausserdem werden neue Medikamente erforscht, die den mitochondrialen Stoffwechsel verbessern oder die schädlichen Auswirkungen der Sauerstoffradikale reduzieren könnten. Obwohl die Entwicklung solcher Therapien Zeit benötigt, gibt es Hoffnung, dass in der Zukunft effektivere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen werden, die das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen oder sogar teilweise umkehren können.

Zusammenfassung

Lebersche Hereditäre Optikusneuropathie (LHON) ist eine seltene genetische Erkrankung, die vorwiegend junge Erwachsene betrifft und durch einen plötzlichen oder allmählichen Verlust des zentralen Sehvermögens gekennzeichnet ist. Diese Erkrankung ist auf Mutationen in der mitochondrialen DNA zurückzuführen und wird maternal vererbt. Die häufigsten Symptome sind ein rascher Sehverlust, der meist zuerst ein Auge betrifft und dann auf das andere übergreift, sowie eine reduzierte Farbwahrnehmung. Die Diagnose erfolgt durch eine Kombination aus klinischer Untersuchung, Familienanamnese und genetischer Testung. Derzeit gibt es keine Heilung für LHON, doch es sind Behandlungen wie Idebenon verfügbar, die in einigen Fällen zu einer Stabilisierung oder Verbesserung des Sehvermögens beitragen können. Forschungen zur Entwicklung neuer therapeutischer Strategien sind im Gange.

Für Personen, die mehr über LHON erfahren möchten oder spezifische Fragen zu dieser Erkrankung haben, stehen die Augenärzte in Chur gerne zur Verfügung. Sie bieten fachkundige Beratung und Unterstützung bei der Diagnose, Behandlung und Bewältigung dieser Herausforderung.

Nach oben