Intravitreale Injektionen von VEGF-Hemmern (IVOM)

Kategorien: Augenärztliche BehandlungPublished On: 4. September 2022Von 6,9 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

intravitreale injektionen

Was versteht man unter VEGF-Hemmern?

Der Begriff VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) bezeichnet ein wachstumsförderndes Protein, das im gesamten Organismus produziert und freigesetzt wird. Es bewirkt die Bildung neuer Blutgefässe (Angiogenese) und spielt unter anderem bei der Wundheilung eine Rolle. Im Auge wird VEGF von der Netzhaut freigesetzt. Bei Erkrankungen wie der feuchten Makuladegeneration (AMD), dem diabetischen Makulaödem sowie bei retinalem Venenverschluss nach Thrombosen kommt es zur übermässigen Produktion und Ausschüttung des Wachstumsfaktors.

Dadurch entstehen in der Netzhaut und im angrenzenden Gewebe zahlreiche neue Blutgefässe minderer Qualität. Eine Folge dieser Überwucherung ist der Austritt von Flüssigkeit aus dem Auge. Daneben kann es zu Schwellungen und Blutungen der Netzhaut kommen, insbesondere im Bereich der Makula. Das macht sich durch verschwommenes Sehen, Zerrbilder sowie Einschränkungen des Gesichtsfelds bemerkbar.

VEGF-Hemmer stoppen die übermässige Produktion und Ausschüttung von VEGF und damit die Bildung abnormer Blutgefässe. Dadurch werden weitere Flüssigkeitsansammlungen verhindert und bestehende Ödeme trocknen aus. Die Medikamente werden als intravitreale Injektionen verabreicht und entfalten ihre Wirkung lokal, sodass die Therapie mit einer geringstmöglichen Belastung für den Organismus einhergeht.

Die VEGF-Proteine wurden im Jahr 1989 von dem Molekularbiologen Napoleone Ferrara im Rahmen der Krebsforschung entdeckt. 2005 folgte die Entwicklung des ersten VEGF-Hemmers. Alsbald stellte sich heraus, dass VEGF-Inhibitoren nicht nur zur Reduktion tumoreigener Blutgefässe genutzt werden können, sondern auch zur Behandlung von Netzhauterkrankungen geeignet sind, die mit einer übermässigen VEGF-Produktion in Zusammenhang stehen.

Damit gelang ein medizinischer Durchbruch, da diese Netzhauterkrankungen bislang unheilbar waren bzw. allenfalls durch die Verödung des betroffenen Netzhautareals behandelt werden konnten. Mit der IVOM (intravitreale operative Medikamentenapplikation) von VEGF-Hemmern ist es erstmals in der Medizingeschichte möglich, die Sehkraft von Patienten mit diesen Netzhauterkrankungen je nach Stadium zu erhalten oder zu verbessern.

Welche Wirkstoffe werden eingesetzt?

In der Schweiz werden VEGF-Inhibitoren mit folgenden Wirkstoffen eingesetzt:

  • Ranibizumab: Bei dem Wirkstoff Ranibizumab handelt es sich um ein monoklonales Antikörperfragment. Monoklonale Antikörper sind der Lage, bestimmte Antigene im Organismus zu erkennen und zu binden. Ranibizumab (Handelsname Lucentis) bindet und blockiert den Wachstumsfaktor VEGF-A.
  • Aflibercept: Der Wirkstoff Aflibercept ist in dem Medikament Eylea enthalten. Aflibercept ist ein rekombinantes Fusionsprotein. Es bindet das zirkulierende VEGF und hemmt die VEGF-Subtypen VEGF-A und VEGF-B.

In der Schweiz trägt die Krankenkasse die Kosten für intravitreale Injektionen mit VEGF-Hemmern, sofern eine Indikation vorliegt. Ein Antrag auf Kostenübernahme durch den Arzt muss nur in seltenen, speziellen Fällen gestellt werden.

Wie gelangen die Wirkstoffe ins Auge?

Die Wirkstoffe werden direkt ins Auge injiziert. So erschreckend das für Patienten zunächst klingt, so sicher und schmerzfrei ist das minimalinvasive Verfahren. Es wird meist ambulant durchgeführt; Ausnahmen davon bestehen etwa bei der Notwendigkeit, ein postoperatives Monitoring des Augeninnendrucks durchzuführen. Der Eingriff selbst dauert nur wenige Minuten.

Ablauf der Behandlung

Zunächst erfolgt die Betäubung des zu behandelnden Auges mittels Augentropfen oder eines Augengels. Nach der Reinigung und Desinfektion des Auges und der angrenzenden Haut wird die Augenumgebung mit einem sterilen Tuch abgedeckt. Das Einsetzen eines Lidsperrers dient dazu, das Auge offen zu halten. Die Injektion wird mit einer feinen Kanüle durchgeführt und erfolgt seitlich der Pupille. Dabei gelangt der Wirkstoff in den Glaskörper – jene gelartige Substanz, die den Augapfel auskleidet und an die Netzhaut grenzt. Danach wird ein Augenverband mit antibiotischer Salbe angelegt.

Nachkontrolle und Behandlungsdauer

Einige Tage nach der Injektion erfolgt eine augenärztliche Kontrolle, um eventuelle Komplikationen zeitnah zu erkennen. Dabei werden Sehleistung und Augeninnendruck überprüft. Intravitreale Injektionen mit VEGF-Hemmern müssen mehrfach durchgeführt werden. Zu Beginn der Therapie werden die Injektionen üblicherweise in vierwöchigem Abstand verabreicht. Insgesamt ist mit einer Therapiedauer von zwei bis drei Jahren zu rechnen. Es ist wichtig, die IVOM-Therapie konsequent durchzuführen und auch die Nachkontrollen einzuhalten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Welche Nebenwirkungen und Komplikationen können bei intravitrealen Injektionen auftreten?

Mögliche Nebenwirkungen

Es ist normal, wenn an den Behandlungstagen leichte Augenreizungen, vermehrter Tränenfluss, verschwommenes Sehen und Juckreiz auftreten. Im Zuge des Heilungsprozesses lassen diese Beschwerden rasch nach. Durch das Desinfizieren des Auges vor dem Eingriff ist im Nachgang mitunter ein Fremdkörpergefühl zu spüren. Dagegen helfen Augentropfen zur Befeuchtung (künstliche Tränen). Bei der Injektion können Luftbläschen in den Glaskörper gelangen.

Sie werden als kleine schwarze Punkte im Sichtfeld wahrgenommen und zählen zu den harmlosen Nebenwirkungen, die von allein verschwinden. Falls beim Injizieren ein Blutgefäss getroffen wird, bildet sich ein Bluterguss in der Bindehaut. Das sieht erschreckend aus, ist jedoch ungefährlich.

Zu den möglichen Nebenwirkungen der intravitrealen Injektionen zählt weiterhin die Erhöhung des Augeninnendrucks. Aus diesem Grund werden bei den regelmässigen Kontrollterminen Messungen durchgeführt; nötigenfalls wird eine Therapie zur Senkung des Augeninnendrucks eingeleitet.

Mögliche Komplikationen

Da bei den Injektionen steril vorgegangen wird, sind Infektionen äusserst selten. Dennoch können sie niemals vollständig ausgeschlossen werden und schlimmstenfalls eine Entzündung im Augeninneren (Endophtalmitis) nach sich ziehen. Anzeichen dafür sind eine Verschlechterung des Sehvermögens, Lichtempfindlichkeit, Schmerzen und eine hartnäckige Augenrötung. Beim Auftreten dieser Symptome sollten Patienten nicht zögern und unverzüglich ihren Augenarzt aufsuchen, da es bei ausbleibender Behandlung zu einer dauerhaften Sehbehinderung kommen kann.

Das Risiko einer Endophtalmitis ist bei einer bereits vorliegenden Konjunktivitis, Keratitis oder Entzündung der Tränenwege erhöht. Hier ist die Behandlung der Erkrankung anzuraten, bevor die IVOM-Therapie eingeleitet wird.

Generell können Patienten einer Infektion nach der Injektion durch achtsames Verhalten vorbeugen. Beispielsweise sollte vermieden werden, dass Schmutz ins Auge gelangt. Nach dem Abnehmen des Augenverbands ist es empfehlenswert, über einige Tage hinweg eine Sonnenbrille zu tragen.

Eine sehr seltene Komplikation besteht in der Verletzung der Netzhaut oder anderer Strukturen im Auge durch die Injektion. Derlei Blessuren können zu einer Netzhautablösung oder anderen Schäden führen. Bei Symptomen wie fliegenden Mücken (Mouches volantes) oder Lichtblitzen im Sichtfeld sowie bei einer Einengung des Gesichtsfelds sollte umgehend der Arzt aufgesucht werden.

Insgesamt gehen intravitreale Injektionen mit einem geringen Risiko einher. Patienten, die einer Behandlung zunächst skeptisch gegenüberstehen, sollten bei ihrer Abwägung berücksichtigen, dass eine unbehandelte feuchte Makuladegeneration in jedem Fall zu einer Verschlechterung der Sehkraft bis hin zur Erblindung führt.

Worauf ist nach der Verabreichung intravitrealer Injektionen zu achten?

Sehr wichtig ist die Sensibilisierung für möglicherweise auftretende Symptome einer postoperativen Komplikation. Insbesondere sollte darauf hingewirkt werden, dass Patienten den Unterschied zwischen harmlosen, rasch abklingenden Nebenwirkungen (Juckreiz, Tränenfluss, Augentrockenheit, vorübergehende Rötungen) und Anzeichen einer Infektion oder anderen Komplikationen kennen.

Als Anlässe für einen umgehenden erneuten Artbesuch sind hervorzuheben:

  • nicht nachlassende Rötung
  • anhaltende Lichtempfindlichkeit
  • anhaltende Schmerzen
  • nachlassendes Sehvermögen
  • eingeschränktes Gesichtsfeld
  • Schatten, Mouches volantes oder Russregen im Sichtfeld
  • Sehen von verzerrten Linien oder Blitzen

Zudem ist der Verzicht auf das Führen eines Fahrzeugs am Tag des Eingriffs wichtig, da sowohl eine vorübergehende Beeinträchtigung des Sehvermögens sowie eine erhöhte Lichtempfindlichkeit auftreten können.

Prognose

Die Erfolgsaussicht der Therapie mit intravitrealen Injektionen hängt vom Stadium der Erkrankung bei Behandlungsbeginn ab. Bei noch mässig ausgeprägtem Krankheitsbild ist mit einer spürbaren Verbesserung der Sehkraft zu rechnen. Doch selbst im fortgeschrittenen Stadium einer feuchten Makuladegeneration oder eines diabetischen Makulaödems kann in der Regel zumindest die Stabilisierung der noch vorhandenen Sehleistung erreicht werden.

Sehr wichtig dabei ist die konsequente Verabreichung der Injektionen während der gesamten Therapiedauer, die sich in der Regel über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren erstreckt. Auch die regelmässigen Folgeuntersuchungen sollten gewissenhaft wahrgenommen werden. Bei den Kontrollterminen werden mögliche Verschlechterungen nach Injektionspausen frühzeitig erkannt, sodass ihnen umgehend entgegengewirkt werden kann.

Unsere Augenärzte in Chur kontrollieren den Zustand Ihrer Makula und bei Flüssigkeitsansammlung verordnen sie die Verabreichung intravitrealer Injektionen.

Fazit

Intravitreale Injektionen mit VEGF-Hemmern stellen einen bedeutenden medizinischen Fortschritt bei der Behandlung von Netzhauterkrankungen dar. Die lokale Verabreichung der Wirkstoffe stellt sicher, dass die Therapie mit geringstmöglichen Nebenwirkungen für den Organismus einhergeht. Die Behandlung selbst ist schmerzfrei und dauert nur wenige Minuten. Auch angesichts des Verlaufs unbehandelter Netzhauterkrankungen bis hin zur Erblindung ist die IVOM-Therapie mit VEGF-Inhibitoren insbesondere bei feuchter Makuladegeneration und diabetischem Makulaödem ratsam.

Quellen

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