Internukleäre Ophthalmoplegie (INO)

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenPublished On: 15. Januar 2024Von 7,5 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

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Internukleäre Ophthalmoplegie: Definition und Überblick

Internukleäre Ophthalmoplegie, kurz INO, ist eine seltene Störung der Augenbewegung, verursacht durch eine Läsion des medialen Längsbündels (Fasciculus longitudinalis medialis) im Gehirn. Das MLF ist ein wesentlicher Bestandteil des Hirnstamms, der die koordinierte Blickbewegung der Augen ermöglicht. Eine Läsion in diesem Bereich führt zu einer Dissoziation in der Bewegung der Augen, was bedeutet, dass die Augen nicht mehr synchron bewegt werden können. Dies äussert sich typischerweise in einer eingeschränkten Adduktion (Bewegung zur Nase hin) des betroffenen Auges und einer abnormen Abduktion (Bewegung vom Nasenrücken weg) des anderen Auges.

Die Internukleäre Ophthalmoplegie ist charakterisiert durch eine Lähmung der ipsilateralen Augenadduktion bei horizontalen Blickbewegungen, nicht jedoch bei Konvergenz. INO kann durch verschiedene neurologische Erkrankungen verursacht werden und tritt oft bei jungen Erwachsenen auf, kann aber in jedem Alter auftreten. Die Erkrankung kann beidseitig oder einseitig sein und wird oft durch bestimmte Augenbewegungen oder Blickrichtungen verstärkt.

In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Ätiologie, die Anzeichen, Diagnostik und die Behandlung der INO.

Ursachen und Risikofaktoren

Die häufigste Ursache für INO ist Multiple Sklerose (MS), eine Erkrankung, die durch Demyelinisierung – den Verlust der Myelinschicht um Nervenfasern – gekennzeichnet ist. Andere Ursachen können vaskuläre Ereignisse wie Schlaganfälle, Infektionen, Hirnstammtumore oder traumatische Hirnverletzungen sein. Risikofaktoren für die Entwicklung einer INO sind somit eng mit den Risikofaktoren für diese Erkrankungen verbunden.

Dazu gehören unter anderem Alter, genetische Faktoren, Immunschwäche, chronische Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, hoher Cholesterinspiegel und Lebensstilfaktoren wie Rauchen und übermässiger Alkoholkonsum. Da MS die häufigste Ursache für INO ist, sind Faktoren, die das Risiko für MS erhöhen – wie genetische Veranlagung, Vitamin-D-Mangel und bestimmte Virusinfektionen – auch indirekte Risikofaktoren für INO.

Symptome der INO

Patienten mit INO berichten häufig über Doppelbilder oder verschwommenes Sehen, besonders beim Blick zur Seite. Diese Anzeichen entstehen, weil die Augen nicht mehr synchron bewegt werden können. Das betroffene Auge, bei dem die Adduktion beeinträchtigt ist, zeigt oft eine langsamere Bewegung im Vergleich zum anderen Auge. Zudem kann beim Blick zur Gegenseite des betroffenen Auges ein Nystagmus – ein unkontrolliertes Zittern – im abduzierenden Auge beobachtet werden. Gelegentlich zeigt sich ein beidseitiger Nystagmus in vertikale Richtung, wenn der Versuch unternommen wird, den Blick nach oben zu richten. Diese Anzeichen können die Lesefähigkeit, das Gleichgewicht und die allgemeine

Die Anzeichen der Internukleären Ophthalmoplegie betreffen horizontale Blickbewegungen, wobei die reziproke Verbindung zwischen dem Nucleus nervi abducentis (VI) und dem kontralateralen Nucleus nervi oculomotorii (III) beeinträchtigt ist. Bei einseitiger Schädigung zeigt sich eine isolierte Schwäche der Adduktion des ipsilateralen Auges, da die Verschaltung zum Motoneuron des Musculus rectus medialis im Nucleus nervi oculomotorii gestört ist. Die Abduktion des betroffenen Auges bleibt in der Regel möglich, da die Innervation des Musculus rectus lateralis durch den Nervus abducens nicht beeinträchtigt ist.

Häufig tritt kompensatorisch ein Nystagmus im abduzierten (kontralateralen) Auge auf. Die Konvergenzreaktion bleibt aufgrund der Ansteuerung durch präokulomotorische Zentren unbeeinträchtigt.

Bei einer INO auf beiden Seiten besteht die Adduktionsschwäche für beide Augen.

Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. In schweren Fällen kann die INO auch mit anderen neurologischen Anzeichen einhergehen, wie z.B. Schwierigkeiten beim Gehen, Koordinationsproblemen, Schwächegefühlen in den Extremitäten und anderen Anzeichen einer Hirnstamm- oder Gehirnbeteiligung. Bei Patienten mit Multipler Sklerose können auch typische MS-Anzeichen wie Müdigkeit, sensorische Störungen oder Spastik auftreten.

Diagnose der Internukleären Ophthalmoplegie

Die Diagnose einer INO beginnt mit einer gründlichen Anamnese und einer neurologischen Untersuchung, bei der die Augenbewegungen und die Koordination der Augen genau beobachtet werden. Neuroophthalmologische Tests können eingesetzt werden, um die präzise Art der Augenbewegungsstörung zu identifizieren. Bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) sind entscheidend, um Läsionen im medialen Längsbündel oder andere zugrunde liegende pathologische Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen.

Bei Verdacht auf Multiple Sklerose oder andere entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems können zusätzliche Untersuchungen wie eine Lumbalpunktion zur Gewinnung von Liquor cerebrospinalis erforderlich sein. Diese Tests helfen bei der Identifizierung von Entzündungsmarkern oder dem Nachweis von oligoklonalen Banden, die auf MS hindeuten könnten. In einigen Fällen können auch Bluttests durchgeführt werden, um andere mögliche Ursachen wie Infektionen oder Autoimmunerkrankungen auszuschliessen.

Differentialdiagnosen

Die Differentialdiagnose umfasst verschiedene Erkrankungen und Störungen, die ähnliche Anzeichen wie INO aufweisen können. Es ist wichtig, diese Bedingungen sorgfältig zu unterscheiden, um eine korrekte Diagnose zu stellen und die angemessene Therapie zu gewährleisten. Hier sind einige wichtige Differentialdiagnosen:

  • Multiple Sklerose (MS): Da INO oft bei Multiple Sklerose auftritt, kann die Unterscheidung schwierig sein. Es ist wichtig, MS zu diagnostizieren, da sie spezifische Behandlungsansätze erfordert. Andere Symptome von MS, wie sensorische Störungen, motorische Probleme oder Fatigue, können bei der Unterscheidung helfen.
  • Myasthenia Gravis: Diese Autoimmunerkrankung führt zu einer Schwäche der Skelettmuskulatur, einschliesslich der Augenmuskeln. Patienten mit Myasthenia Gravis können Anzeichen wie Ptosis (herabhängende Augenlider) und eine variable Schwäche der Augen-Bewegungen aufweisen, die im Tagesverlauf schwanken kann.
  • Schlaganfall: Ein Hirnstamminfarkt kann Anzeichen verursachen, die der INO ähneln. Ein Schlaganfall kann jedoch auch andere neurologische Defizite verursachen, wie Schwierigkeiten beim Sprechen, Lähmungen oder Schwierigkeiten beim Gehen, die bei INO normalerweise nicht vorkommen.
  • Hirnstammtumoren oder -läsionen: Tumoren oder andere Läsionen im Hirnstamm können Anzeichen hervorrufen, die denen einer INO ähneln. Bildgebende Verfahren wie MRT sind entscheidend, um solche Läsionen zu identifizieren.
  • Ophthalmoplegische Migräne: Diese seltene Form der Migräne kann vorübergehende Augenmuskellähmungen verursachen, die INO-ähnliche Symptome hervorrufen. Die Anamnese von Migränekopfschmerzen und das vorübergehende Auftreten der Symptome können bei der Diagnose helfen.
  • Guillain-Barré-Syndrom: Obwohl es sich in der Regel um eine Erkrankung der peripheren Nerven handelt, kann das Guillain-Barré-Syndrom in seltenen Fällen auch die Augenmuskeln beeinflussen und zu Bewegungsstörungen führen, die der INO ähneln.
  • Toxische oder medikamentöse Wirkungen: Bestimmte Medikamente oder Toxine können Augenbewegungsstörungen verursachen, die der INO ähneln. Eine Überprüfung der Medikamentenanamnese und möglicher Expositionen ist daher wichtig.
  • Eineinhalb-Syndrom: Es ist eine seltene Erkrankung, bei der eine Läsion das horizontale Blickzentrum und den medialen longitudinalen Faszikulus auf derselben Seite betrifft. Das Sehorgan auf der betroffenen Seite kann sich nicht horizontal nach beiden Seiten bewegen, aber das andere Sehorgan kann abduzieren. Die Konvergenz ist nicht beeinträchtigt.
  • Andere neurologische Erkrankungen: Erkrankungen wie die progressive supranukleäre Blickparese oder Hirnstammgliome können ebenfalls zu ähnlichen Anzeichen führen und sollten in Betracht gezogen werden.

Die genaue Unterscheidung zwischen diesen Zuständen erfordert eine sorgfältige neurologische Untersuchung, Anamnese und in vielen Fällen spezialisierte diagnostische Tests.

Behandlung und Management

Die Behandlung der INO richtet sich primär nach der zugrunde liegenden Ursache. Bei MS-bedingter INO beinhaltet die Therapie oft eine Immuntherapie, um die Aktivität der Erkrankung zu reduzieren und zukünftige Schübe zu verhindern. Bei vaskulären Ursachen wie einem Schlaganfall ist eine Therapie zur Verbesserung der Durchblutung und zur Prävention weiterer vaskulärer Ereignisse erforderlich. Dies kann die Verwendung von Blutverdünnern, die Kontrolle von Risikofaktoren wie Bluthochdruck und Diabetes und eine gesunde Lebensweise umfassen. Symptomatische Therapien, wie das Tragen von prismatischen Brillengläsern, können helfen, Doppelbilder zu reduzieren und das Sehvermögen zu verbessern. Physiotherapie und Augenübungen können ebenfalls nützlich sein, um die Koordination und Stärke der Augenmuskeln zu verbessern. In schweren Fällen, in denen konservative Massnahmen nicht ausreichen, können chirurgische Eingriffe in Betracht gezogen werden, um die Augenmuskelstellung zu korrigieren oder die Augen-Bewegungen zu verbessern.

Internukleäre Ophthalmoplegie: Prognose und Komplikationen

Die Prognose der INO variiert je nach Ursache und Schweregrad der Erkrankung. Bei Patienten mit INO aufgrund von MS kann eine teilweise oder vollständige Erholung der Augenbewegungen möglich sein, besonders wenn sie frühzeitig und effektiv behandelt werden. Allerdings kann die INO bei MS-Patienten auch chronisch werden oder rezidivieren, besonders wenn die zugrunde liegende MS aktiv bleibt. Bei INO aufgrund eines Schlaganfalls oder einer anderen akuten Ursache ist die Prognose abhängig von der allgemeinen Erholungsfähigkeit des Gehirns und dem Ausmass der Schädigung. Langzeitkomplikationen können persistierende Doppelbilder, eingeschränkte Sehfähigkeit und Beeinträchtigungen der Lebensqualität sein. Zudem kann die INO bei unbehandelter zugrunde liegender Ursache zu weiteren neurologischen Verschlechterungen führen.

Fazit

Internukleäre Ophthalmoplegie tritt durch eine Läsion des Fasciculus longitudinalis medialis auf. Die Erkrankung erfordert eine gründliche Untersuchung und eine individualisierte Behandlung. Die genaue Diagnose und das Verständnis der zugrunde liegenden Ursache sind entscheidend, um eine geeignete Therapie einzuleiten und die Symptome effektiv zu behandeln. Ein multidisziplinärer Ansatz, der Spezialisten aus den Bereichen Neurologie, Ophthalmologie und Rehabilitation umfasst, kann entscheidend sein, um das bestmögliche Ergebnis für die Patienten zu erzielen. Frühzeitige Intervention und fortlaufende Betreuung sind wesentlich, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und langfristige Komplikationen zu vermeiden.

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