Fazialisparese und das Auge

Kategorien: HornhautentzündungPublished On: 4. Januar 2024Von 6,2 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

fazialisparese und das auge 1

Einführung in die Fazialisparese

Die Fazialisparese, auch bekannt als Bell’sche Lähmung (Idiopathische Fazialisparese), ist eine plötzlich auftretende Schwäche oder Lähmung (Parese) der Gesichtsmuskeln aufgrund einer Störung des siebten Hirnnervs bzw. Gesichtsnervs (Nervus facialis). Die Erkrankung äussert sich meist in einer plötzlichen Schwäche oder vollständigen Gesichtslähmung, was zu asymmetrischen Gesichtsausdrücken, Schwierigkeiten beim Sprechen, Essen und Trinken sowie Beeinträchtigungen der Augenfunktion führen kann. Die Diagnose erfolgt in der Regel durch neurologische Untersuchungen, bildgebende Verfahren und gegebenenfalls Elektromyographie (EMG) zur Beurteilung der Muskelaktivität.

Ursachen

Mögliche Ursachen die eine Fazialisparese auslösen können:

  • Idiopathisch (Bell’sche Lähmung)
  • Virale Infektionen wie Herpes simplex, Herpes zoster (Gürtelrose) oder die Sonderform davon Zoster Oticus
  • Autoimmunerkrankungen
  • Durchblutungstörungen
  • Tumore
  • Traumata (Felsenbeinfraktur, laterale Schädelbasisfraktur)
  • Angeboren (Möbius-Syndrom)
  • Entzündlich Erkrankungen (Mittelohrentzündung, chronische Meningitiden, Lyme Borreliose)
  • Schlaganfall (Hirninfarkt, Hirnblutung)
  • Immunologisch (Guillain-Barré-Syndrom, Sarkoidose bzw. Heerfordt-Syndrom, Melkersson-Rosenthal-Syndrom)

Symptome

Eine leichte Fazialisparese zeigt nur sehr subtile Symptome. Stärkere Formen führen zu deutlichen Veränderungen in der Gesichtsmimik, besonders bei der häufigeren einseitigen Fazialislähmung, die das Gesicht asymmetrisch erscheinen lässt. Typische Anzeichen auf der betroffenen Seite der mimischen Muskulatur sind:

  • Hängender Mundwinkel
  • Verringertes oder fehlendes Stirnrunzeln
  • Unvollständiger oder fehlender Lidschluss
  • Da der Gesichtsnerv Nervus facialis auch sensorische Fasern der Zunge versorgt, können auch Geschmacksstörungen auftreten.

Die genauen Symptome hängen von der Lokalisation der Fazialisparese ab. Man unterscheidet zwischen periphere Fazialisparese, zentrale Fazialisparese und einer idiopathischen Fazialisparese. Die periphere Fazialisparese tritt meist in Folge einer infektiösen oder entzündlichen Erkrankung auf. Bei der zentralen Fazialisparese handelt es sich um eine Schädigung des Gehirns (z.B. Schlaganfall).

Risikofaktoren für Fazialisparese

  • Grunderkrankung, wie z.B. Bluthochdruck und Diabetes mellitus gelten als Risikofaktoren für Gesichtslähmung.
  • Ungünstige Blutwerte können Nervenschäden verursachen, insbesondere am Nerv „Nervi facialis“.
  • Auch intensiver Stress kann das Auftreten von Gesichtslähmung begünstigen.
  • Gelegentlich wird kalte Zugluft als Auslöser identifiziert.
  • Während der Schwangerschaft steigt das Risiko für Lähmungserscheinungen der Gesichtsmuskulatur ebenfalls an. Neugeborene können eine Gesichtslähmung entwickeln, wenn der Nerv facialis während der Geburt im Geburtskanal eingeklemmt oder eine Schädigung durch den Einsatz von Geburtszangen vorliegt.

Auswirkungen auf das Auge

Die Auswirkungen der Fazialisparese auf das Auge sind vielfältig und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen:

Unvollständiger Lidschluss

Ein unvollständiger Lidschluss ist eines der häufigsten Probleme, das aus der Schwäche der Muskeln resultiert, die für das Schliessen des Augenlids verantwortlich sind. Dies führt zu einer ständigen Exposition der Hornhaut und Bindehaut, was zu AustrocknungReizung und erhöhter Anfälligkeit für Infektionen führt. Patienten können unter Symptomen wie Brennen, Rötung, vermehrtem Tränenfluss, Photophobie und in schweren Fällen Hornhautulzerationen oder Hornhautperforationen leiden.

Verminderte Tränenproduktion

Die Fazialisparese kann auch die Funktion der Tränendrüsen beeinträchtigen, was zu einer verringerten Tränenproduktion und folglich zu einem trockenen Auge führt. Diese Reduktion der Tränenflüssigkeit beeinträchtigt die natürliche Schmier- und Reinigungsfunktion des Auges, was zu weiteren Komplikationen wie Augenreizungen, verschwommenem Sehen und möglicherweise zu einer Verschlechterung der Hornhautgesundheit führt.

Erhöhtes Risiko für Augeninfektionen

Ohne ausreichenden Schutz durch das vollständige Schliessen des Augenlids ist das Auge anfälliger für Infektionen. Bakterien, Viren und Fremdkörper können leichter in das Auge gelangen, was zu Infektionen wie Konjunktivitis oder Keratitis führen kann. Dies erfordert häufig eine intensive augenärztliche Betreuung und gegebenenfalls eine antibiotische oder antivirale Behandlung.

Photophobie (Lichtempfindlichkeit)

Die erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Licht, auch Photophobie genannt, ist eine weitere häufige Komplikation. Sie resultiert aus der Exposition der Hornhaut und der veränderten Zusammensetzung des Tränenfilms. Patienten leiden häufig unter Unbehagen in hellen Umgebungen, was das tägliche Leben, insbesondere Aktivitäten im Freien oder das Arbeiten an Bildschirmen, erschweren kann.

Fazialisparese und das Auge: Konservative Behandlung

Die Therapie der Fazialisparese ist komplex und erfordert oft einen multidisziplinären Ansatz:

Künstliche Tränen und Augensalben

Zur Behandlung des trockenen Auges werden häufig künstliche Tränen und Augensalben verwendet. Diese helfen, die Augenoberfläche feucht zu halten und das Risiko von Hornhautschäden zu minimieren. In schweren Fällen können spezielle Augengels oder -salben verschrieben werden, die eine längere Verweildauer auf der Augenoberfläche haben und so einen besseren Schutz bieten.

Augenschutz

Um das Auge vor weiteren Schäden zu schützen, können tagsüber Schutzbrillen und nachts spezielle Augenverbände oder Uhrglasverbände eingesetzt werden. Diese Massnahmen helfen, das Auge vor Austrocknung und mechanischen Verletzungen zu schützen. In einigen Fällen können auch massgeschneiderte Augenklappen verwendet werden, um das Auge während des Schlafes zu schützen und gleichzeitig eine gewisse Luftzirkulation zu ermöglichen.

Physiotherapie

Physiotherapeutische Übungen sind ein wichtiger Bestandteil der Behandlung. Sie zielen darauf ab, die Funktion der betroffenen Gesichtsmuskeln wiederherzustellen und zu stärken. Dies kann durch spezifische Gesichtsübungen, Elektrostimulation und Massagen erreicht werden. Ziel ist es, die Beweglichkeit der Muskeln zu verbessern und langfristigen Schäden vorzubeugen.

Medikamentöse Behandlung

Die Behandlung mit Medikamenten kann in Abhängigkeit von der Ursache der Fazialisparese variieren. Antivirale Medikamente und Kortikosteroide können in den frühen Stadien der Erkrankung, insbesondere bei Verdacht auf eine virale Ursache, wirksam sein. In einigen Fällen können auch Schmerzmittel oder Muskelrelaxantien verschrieben werden, um Begleitsymptome zu lindern.

Operative Behandlung

In bestimmten Fällen, insbesondere wenn konservative Behandlungsmethoden nicht ausreichend sind, kann eine chirurgische Intervention notwendig werden:

Tarsorrhaphie

Die Tarsorrhaphie ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem die Augenlider teilweise zusammengenäht werden, um das Auge zu schützen und die Befeuchtung zu verbessern. Dieser Eingriff kann temporär oder dauerhaft sein, abhängig von der Schwere und der Dauer der Fazialisparese. Der Eingriff ist in der Regel reversibel, sollte die Nervenfunktion sich erholen.

Lidgewicht-Implantation

Die Implantation eines kleinen Gewichts in das Oberlid ist eine weitere chirurgische Option. Das Gewicht hilft, das Oberlid bei einem Lidschluss zu senken, wodurch das Auge besser geschützt und befeuchtet wird. Diese Methode ist besonders bei Patienten hilfreich, bei denen eine teilweise Wiederherstellung der Nervenfunktion erwartet wird.

Nerventransplantation oder -umleitung

In schweren Fällen, in denen keine Besserung der Nervenfunktion zu erwarten ist, können komplexere chirurgische Eingriffe wie eine Nerventransplantation oder -umleitung in Betracht gezogen werden. Diese Eingriffe zielen darauf ab, die Nervenfunktion wiederherzustellen, indem Nervenfasern aus anderen Körperregionen transplantiert oder umgeleitet werden.

Prognose

Die meist spontane idiopathische Fazialisparese hat in der Regel eine recht positive Prognose. Bei etwa 71 % der Fälle verschwindet die Lähmung normalerweise innerhalb von Tagen oder Wochen, gelegentlich auch nach Monaten, von alleine. Nur etwa 29 % der Betroffenen behalten motorische Beeinträchtigungen, während bei 16 % Synkinesien auftreten können – das bedeutet beispielsweise, dass sich das Auge mitbewegt, wenn der Mund geschlossen wird (Peitersen 2002). Eine gute Prognose gilt auch für erstmalig aufgetretene einseitige Fazialisparesen, insbesondere wenn die Betroffenen „jung“ sind (unter 60 Jahren) und der Nerv nur teilweise geschädigt ist (Neurapraxie).

Fazit

Fazialisparese ist eine ernste Erkrankung mit weitreichenden Auswirkungen auf das Gesicht und insbesondere auf das Auge. Eine umfassende Behandlung, die medizinische, physiotherapeutische und gegebenenfalls chirurgische Ansätze umfasst, ist entscheidend für eine erfolgreiche Genesung und die Minimierung langfristiger Schäden. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Patienten, Ärzten, Physiotherapeuten und anderen Gesundheitsfachkräften ist für eine optimale Diagnostik und Therapie, sowie Betreuung unerlässlich.

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