Endokrine Orbitopathie: Schilddrüse und Augen

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenPublished On: 14. Juni 2022Von 6,2 min read

Dr. med. Richard Nagy

Ärztlicher Leiter, Facharzt für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

endokrine orbitopathie

Endokrine Orbitopathie Autoimmunerkrankung der Augenhöhle

Die Orbitopathie ist eine Erkrankung der Augenhöhle. Betroffenes Gewebe sind Augenhöhlen, Augapfel sowie die Augenmuskeln und die Augenlider. Orbita wird vom lateinischen Wort orbis abgeleitet und bezeichnet die knöcherne Augenhöhle, in der sich das Auge mitsamt seinen Anhangsorganen befinden. Endokrin ist ein Sekret, das direkt von den Drüsen in die Blutbahn abgegeben wird Stichwort: Hormone.

Endokrine Ophthalmopathie und endokriner Exophthalmus sind außerdem weitere Bezeichnungen für die endokriner Orbitopathie. Die endokrine Orbitopathie ist eine entzündliche Augenerkrankung, und zwar direkt im Bereich der Augenhöhle und betrifft Augenmuskel, Bindegewebe und Fettgewebe.  Als Folge der Entzündungsprozesse, treten Schwellungen in der Augenhöhlen hervor. Bei dieser Erkrankung verändert sich das Gewebe in der Augenhöhle um den Augapfel herum. Eines der charakteristischen Symptome ist, dass sich der Augapfel nach vorne wölbt oder aus der Augenhöhle heraustritt. Im Fachbereich wird diese Exophthalmus genannt. Weitere Symptome können einer Schwellungen der Augenlider sein oder einer Augenbewegungsstörung. So kann es zu Sehstörungen wie zum Beispiels das Sehen von Doppelbildern kommen. Als Autoimmunerkrankung entwickelt sie sich ausschliesslich im direkten Zusammenhang mit der Schilddrüsenerkrankung Morbus Basedow. Autoimmunität ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems mit der Folge, dass körpereigene Strukturen wie Organe und Zellen angegriffen werden. Daraus resultieren solche Krankheitsbilder wie Diabetes Typ 1, Rheuma, Multiple Sklerose und eben eine endokrine Orbitopathie. Die augenärztliche Behandlung orientiert sich immer an dem Ausmass der Erkrankung.

Schilddrüse hochsensibles Organ als Ursache

An dieser Stelle eine kurze Erklärung zur Schilddrüse als einem wichtigen Organ für Zellwachstum, Energiestoffwechsel sowie für den Gesamtorganismus.

Sie befindet sich unterhalb des Kehlkopfes unmittelbar vor der Luftröhre und ist die für den Menschen grösste endokrine Drüse. Die Schilddrüse des Erwachsenen wiegt zwischen 20 und 60 Gramm. Gängige Schilddrüsenerkrankungen sind die Über- und die Unterfunktion als Funktionsstörungen sowie durch Bakterien beziehungsweise Pilze entstehende Entzündungen.

Eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse ist Morbus Basedow mit dem Merkmal, stimulierende Antikörper zu bilden. Die Folgen sind Vergrösserung sowie Überfunktion der Schilddrüse. Von dem Immunprozess können auch weitere innere Organe betroffen sein so wie die endokrine Orbitopathie mit ihrem typischen Charakter einer Volumenzunahme des hinter dem Auge befindlichen Bindegewebes.

Augen und Schilddrüse medizinischer Zusammenhang: Morbus Basedow

Das lateinische Wort morbus heisst ganz allgemein Krankheit und steht in der Medizinersprache in Verbindung mit dem eigentlichen Krankheitsnamen. Morbus Basedow ist als Krankheitsbild zurückzuführen auf den deutschen Arzt Carl Adolf von Basedow. In den 1840er-Jahren beschrieb er als erster Mediziner im deutschsprachigen Raum die Überfunktion der Schilddrüse sie wurde als Basedowsche Krankheit, heutzutage als Morus Basedow nach ihm benannt.

Folgen sind die Struma als Schilddrüsenvergrösserung mit direkter Auswirkung auf die Augen.

Ursachen der endokrinen Orbitopathie

Die Ursachenforschung für diese Autoimmunerkrankung ist auch zu Beginn der 2020er-Jahre noch nicht abgeschlossen. Dass sich Zellen des körpereigenen Abwehrsystems gegen Teil des Auges richten und zu Entzündungen im Fett- und Bindegewebe von Augenhöhle, Augenmuskel und Augenlid führen, steht fest doch noch immer nicht, warum und wodurch.

Zu den vermuteten Auslösern beziehungsweise Zusammenhängen gehören unter anderem Infektionen durch Viren, dauerhafte Stressbelastung oder regelmässiger Nikotinkonsum. Auch eine genetische Veranlagung wird nicht ausgeschlossen. Doch erwiesen ist nichts.

Symptome

Zellschäden als Folge von Autoimmunprozessen zeigen sich als Entzündung beziehungsweise Gewebeschwellung. Die sich so ergebende Grössenzunahme des Auges führt zur Augenverschiebung nach aussen. Eine Augenverschiebung nach innen wird durch die knöcherne Augenhöhle verhindert.

Das führt zu Beschwerden wie Exophthalmus, eher bekannt als hervorstehende Augen, wie trockene gerötete Augen mangels Befeuchtung der Hornhaut, Fremdkörpergefühl im Auge, vermehrtes Augentränen und Lichtempfindlichkeit bis hin zu ganz allgemeinen Augenschmerzen, zu einer chronischen Sehminderung oder zu Augenmuskelstörungen mit Schielen und Doppelbildern. Wenn der Sehnerv druckbedingt geschädigt ist, dann kann das zu Gesichtsausfällen oder schlimmstenfalls zu einem kompletten Sehverlust führen.

Doch so weit muss es nicht kommen und kommt es erfahrungsgemäss auch nicht.

Diagnostik der endokrinen Orbitopathie

Art und Umfang richten sich massgeblich nach dem Krankheitsstadium. Die sorgfältige Dokumentation des gesamten Krankheitsverlaufes ist eine selbstverständliche Voraussetzung.

Zu der Untersuchungs- und Testreihe gehören:
– Beurteilung des Augenhintergrundes
– Messen des Augeninnendruckes
– Prüfung von Farbsehen, Gesichtsfeld und Sehschärfe
– Ultraschalluntersuchung der Augenmuskeln auf ihre Beweglichkeit hin
– Prüfung und Bewertung des Hervortretens der Augen
– Weitenbestimmung der Lidspalten
– Untersuchung auf ein mögliches Schielen

Diagnostiziert wird mit Kernspintomografie oder Computertomografie. Diese Verfahren ermöglichen die Beurteilung der Augenhöhle mit Gewebe und Muskeln mithilfe der Bildgebung. Gleichzeitig werden mögliche andere Ursachen für die Erkrankung erkannt beziehungsweise definitiv ausgeschlossen.

Behandlung der endokrinen Orbitopathie

Endokrine Orbitopathie ist eine sehr individuelle, man könnte auch sagen eigenwillige Krankheit. Dementsprechend aufwändig bis schwierig gestaltet sich die Behandlung. So wie andere tritt auch diese Autoimmunerkrankung schubartig auf.

– Zu den gängigen Behandlungsmethoden gehören dosierte Medikamentengabe sowie Bestrahlung der Augenhöhle
– Symptomlinderung bietet die temporär regelmässige Gabe von Augentropfen
– Aus kosmetischem Grund wie bei hervorstehenden Augen ist die chirurgische Therapie überlegenswert
– Bei ausgeprägtem Schielen und bei einer druckbedingten Kompression des Sehnervs kann eine Augen-OP unumgänglich sein wenngleich das eher selten der Fall ist

Prognose

Erfahrungen und Statistiken zeigen, dass sich Endokrine Orbitopathie nicht hundertprozentig heilen in Form von beseitigen, wohl aber spürbar lindern lässt. Hier liegt die Erfolgsquote bei deutlich über 50 und mehr Prozent.

Angesetzt werden muss bei der Schilddrüse und ihrer Fehlfunktion. Hier liegt die Ursache, anders gesagt der Quell des Übels. Es geht also darum, die bestmögliche Einstellung für den Stoffwechsel und die Behandlung bis hin zur Beseitigung der Schilddrüsen-Fehlfunktion zu optimieren.

Krankheitsbedingt ist eine Selbstheilung der Schilddrüse ausgeschlossen auf die Behandlung mit Medikamentengabe kann nicht verzichtet werden.

Regemäsige Kontrollen

Der Betroffene muss sich darauf einstellen, dass er zumindest temporär für einen längeren Zeitraum zum Dauerpatienten seines Augenarztes wird. Unverzichtbar sind regelmässige augenärztliche Kontrolluntersuchungen sowie enge Kooperation mit einem Facharzt für Schilddrüsenerkrankungen. Ein gut funktionierendes medizinisches Zusammenspiel beider Fachärzte ist der Schlüssel zum dauerhaften Erfolg.

Wie man sagt, muss der Patient aktiv mitarbeiten. Dazu gehören eine gewissenhafte Terminwahrnehmung aller Kontrolluntersuchungen sowie die Medikamenteneinnahme gemäss Verordnung. Begleitende Massnahmen wie Stressreduzierung, Verzicht auf Nikotin und auch Alkohol sind einige Soft Skills. Ihr Erfolg lässt sich weder messen noch wiegen. Dennoch tut jede Unterstützung gut – vom Heilverlauf bis hin zum Umgang als solchem mit der Krankheit.

Fazit

Die durch eine Fehlfunktion der Schilddrüse hervorgerufene Endokrine Orbitopathie als Erkrankung der Augenhöhle kann durchaus als heimtückisch bezeichnet werden. Sie verläuft in Schüben als den entzündlichen sowie in den eher ruhigen Phasen.

Anlässlich der unverzichtbaren regelmässigen Augenarztbesuche werden immer Hornhaut, Augenbeweglichkeit, Farbsehen, Gesichtsfeld sowie Sehschärfe untersucht, kontrolliert und dokumentiert.

So bekommt der Augenspezialist des Vertrauens einen ebenso verlässlichen wie lückenlosen Überblick über den aktuellen Krankenstand sowie den dauerhaften Krankheitsverlauf.

Wenn Sie mehr Informationen benötigen oder sich durch Spezialisten untersuchen lassen möchten, stehen unsere Augenärzte in Chur sehr gerne zur Verfügung. Wir übernehme auch gerne die Verlauskontrollen.

Quellen

  • Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 102-106.
  • Nika Bagheri, Brynn N. Wajda: The Wills Eye Manual, 7th edition, Seite 148-151.
  • Brad Bowling: KANSKIs Klinische Ophthalmologie, 8. Auflage, Seite 80-85.
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Endokrine_Orbitopathie
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