Choroideremie: Ursachen, Symptome und Therapie

Kategorien: Syndrome & AugenerkrankungenPublished On: 10. Dezember 2023Von 7,1 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

Mehr über mich und meine Karriere finden Sie auf meiner Profilseite

Teilen Sie diesen Artikel!

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

Mehr über mich und meine Karriere finden Sie auf meiner Profilseite

Teilen Sie diesen Artikel!

Inhaltsverzeichnis

choroideremie

Einführung in die Choroideremie 

Choroideremie, veraltete Schreibweise Chorioideremie, ist eine seltene, erbliche Erkrankung, die primär das Auge betrifft und sich durch den progressiven Verlust des Sehvermögens auszeichnet. Sie wird durch genetische Mutationen im CHM-Gen verursacht, das auf dem X-Chromosom lokalisiert ist und für das Rab-Eskort-Protein 1 kodiert. Dies führt zu einer gestörten Assoziation des Rab-Proteins mit den Donor-Membranen und damit zum Zelltod. Dieses Protein spielt eine wesentliche Rolle für die Gesundheit und Funktion der Zellen, welche retinal sind. Die X-chromosomale rezessive Vererbung bedeutet, dass hauptsächlich das männliche Geschlecht von dieser Erkrankung betroffen sind, während Frauen meist asymptomatische Trägerinnen sind. Die Erkrankung beginnt typischerweise in der Kindheit oder Jugend und führt zu einer allmählichen Degeneration der Netzhaut, der Aderhaut und des retinalen Pigmentepithels. 

Ursachen der Choroideremie

Die Choroideremie, kurz CHM, wird durch Mutationen im CHM-Gen verursacht, das auf dem X-Chromosom liegt und geschlechtsgebunden durch das X-Chromoson vererbt. Mit 50%iger Wahrscheinlichkeit geben weibliche Überträgerinnen die Mutation an ihre Kinder weiter. Dieses Gen ist verantwortlich für die Kodierung des Rab-Eskort-Protein-1 (REP-1). Das Protein REP-1 spielt eine wesentliche Rolle im intrazellulären Transport und ist besonders wichtig für die Gesundheit und Funktion der retinalen Zellen.

Bei Menschen mit dieser Erkrankung führen Mutationen im CHM-Gen dazu, dass das REP-1-Protein entweder gar nicht oder nur in einer funktionsgestörten Form produziert wird. Das Fehlen oder die mangelhafte Funktion dieses Proteins stört den normalen intrazellulären Transport und führt zu einer Ansammlung von Abfallprodukten in den Zellen. Dies wiederum verursacht eine schädliche Umgebung, die den Tod von retinalen Zellen, insbesondere den Fotorezeptoren und dem retinalen Pigmentepithel, nach sich zieht. Letztendlich führt dies zum fortschreitenden Verlust des Sehvermögens.

Da das CHM-Gen auf dem X-Chromosom lokalisiert ist, folgt die Choroideremie einem X-chromosomal rezessiven Erbgang. Das bedeutet, dass Männer, die nur ein X-Chromosom haben, die Krankheit entwickeln, wenn sie eine Kopie des mutierten Gens tragen. Frauen, die zwei X-Chromosomen haben, sind in der Regel nur Trägerinnen, da das zweite, normale X-Chromosom oft ausreicht, um die Auswirkungen des mutierten Gens auszugleichen. In seltenen Fällen können jedoch auch Frauen Symptome zeigen, insbesondere wenn sie zwei Kopien des mutierten Gens tragen oder in Fällen von X-Inaktivierung, bei der das X-Chromosom mit dem normalen CHM-Gen inaktiviert wird. Frauen können aber die Choroideremie als Überträgerinnen weitervererben.

Häufigkeit

Die Choroideremie, engl. Choroideremia, ist eine sehr seltene Erkrankung. Sie tritt ungefähr bei 1 von 50.000 bis 100.000 Menschen auf. Diese Schätzung variiert jedoch in der medizinischen Literatur und kann regional unterschiedlich sein. Männer sind aufgrund des X-chromosomal rezessiven Erbgangs der Krankheit deutlich häufiger betroffen als Frauen.

Die Seltenheit der Erkrankung führt dazu, dass sie oft wenig bekannt ist, selbst unter medizinischen Fachkräften. Dies kann Herausforderungen bei der Diagnosestellung und dem Zugang zu spezialisierten Behandlungen mit sich bringen. Aufgrund ihrer Seltenheit wird die Choroideremie auch als „orphan disease“ (seltene Krankheit) eingestuft, was bedeutet, dass sie in vielen Fällen spezielle Aufmerksamkeit in der medizinischen Forschung und bei der Entwicklung von Therapien erhält.

Symptome der Choroideremie

Die Symptome und der Verlauf der Erkrankung sind vielfältig und entwickeln sich im Laufe der Zeit. Zu den Hauptmerkmalen gehören:

  • Nachtblindheit: Dies ist häufig das erste Symptom und äussert sich in einer signifikant reduzierten Sehfähigkeit unter schlechten Lichtbedingungen. Bei den betroffenen männlichen Personen tritt dies im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt ein. 
  • Verlust des peripheren Sehens: Die Betroffenen erleben einen schrittweisen Verlust des seitlichen Sehvermögens, was zu einem zunehmend eingeschränkten Gesichtsfeld und „Tunnelblick“ führt.
  • Anpassungsschwierigkeiten an Lichtveränderungen: Eine verzögerte Anpassung der Augen beim Wechsel zwischen hellen und dunklen Umgebungen.
  • Eingeschränkte Farbwahrnehmung: Mit Fortschreiten der Krankheit kann es zu Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von Farben kommen.
  • Verschlechterung des zentralen Sehens: Im fortgeschrittenen Stadium kann das Sehschärfe im Zentrum des Gesichtsfelds beeinträchtigt werden, was alltägliche Aufgaben wie Lesen oder das Erkennen von Gesichtern erschwert.

Diagnostik der Choroideremie

Die ophthalmologische Diagnose von Choroideremie ist ein mehrstufiger Prozess, der verschiedene Untersuchungen umfasst:

Augenuntersuchungen

Genetische Tests

  • Tests und gentherapeutische Ansätze sind entscheidend, um die spezifische Mutation im CHM-Gen zu identifizieren.

Elektroretinogramm (ERG)

  • Dieses Verfahren misst die elektrische Aktivität der Retina und hilft bei der Beurteilung des Ausmasses der Retinadegeneration.

Familienanamnese

  • Die Erhebung der Familienanamnese kann wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer erblichen Erkrankung liefern.

Differentialdiagnosen der Choroideremie

Bei der Diagnose von Choroideremie ist es wichtig, andere ähnliche Augenerkrankungen auszuschliessen, da Symptome wie Nachtblindheit und eingeschränktes peripheres Sehen auch bei anderen Zuständen auftreten können. Die Differentialdiagnose umfasst mehrere Erkrankungen, die im Folgenden beschrieben werden:

Retinitis Pigmentosa

  • Symptome: Ähnlich der Choroideremie, charakterisiert durch Nachtblindheit und Verlust des peripheren Sehvermögens.
  • Unterschiede: Im Gegensatz zur Choroideremie, die das gesamte Auge betrifft, konzentriert sich die Retinitis Pigmentosa primär auf die Netzhaut.
  • Diagnostik: Genetische Tests und ERG können helfen, zwischen diesen beiden Zuständen zu unterscheiden.

Usher-Syndrom

  • Symptome: Eine Kombination aus Hörverlust und Retinitis Pigmentosa.
  • Unterschiede: Die Präsenz von Hörproblemen in Verbindung mit Sehstörungen deutet eher auf das Usher-Syndrom als auf Choroideremie hin.
  • Diagnostik: Audiologische Tests zusammen mit Augenuntersuchungen sind wichtig für die Diagnose.

Gyrate Atrophie

  • Symptome: Progressive Veränderungen in der Retina, die zu Sehverlust führen.
  • Unterschiede: Bei dieser Erkrankung treten spezifische Veränderungen in der Netzhaut auf, die in der Bildgebung erkennbar sind und sich von denen der Choroideremie unterscheiden.
  • Diagnostik: Bildgebende Verfahren und spezielle Bluttests zur Bestimmung des Ornithinspiegels können zur Diagnose beitragen.

Leber’sche Kongenitale Amaurose (LCA)

  • Symptome: Früher Beginn von Sehverlust, oft schon im Kindesalter.
  • Unterschiede: LCA beginnt typischerweise viel früher im Leben als Choroideremie und führt zu einem schnelleren Verlust des Sehvermögens.
  • Diagnostik: Genetische Tests sind entscheidend für die Diagnose.

Autosomal dominante Optikusatrophie

  • Symptome der autosomal dominanten Optikusatrophie: Sehverlust, der sich hauptsächlich auf das zentrale Sehen auswirkt.
  • Unterschiede: Im Gegensatz zur Choroideremie, die hauptsächlich peripheres Sehen beeinträchtigt, betrifft diese Erkrankung vor allem das zentrale Sehen.
  • Diagnostik: Familienanamnese und genetische Tests helfen bei der Diagnose.

Stargardt-Krankheit

  • Symptome: Beeinträchtigung des zentralen Sehens und mögliche Farbwahrnehmungsprobleme.
  • Unterschiede: Fokussiert auf das Makulagebiet der Netzhaut, wohingegen die Choroideremie eine umfassendere Degeneration des Auges bewirkt.
  • Diagnostik: Funduskopie und genetische Tests sind für die Diagnosestellung wichtig.

Die genaue Diagnosestellung bei Augenerkrankungen erfordert eine Kombination aus klinischer Untersuchung, bildgebenden Verfahren, genetischen Tests und manchmal auch spezifischen Laboruntersuchungen. Da sich viele dieser Erkrankungen in ihren Symptomen überschneiden, ist eine sorgfältige Bewertung durch einen Augenarzt essentiell.

Behandlung und Management

Die Behandlung von Choroideremie zielt darauf ab, die Lebensqualität zu erhalten und die Symptome zu managen, da es derzeit keine Heilung gibt:

  • Regelmässige augenärztliche Kontrollen: Diese sind wichtig, um den Fortschritt der Krankheit zu überwachen und rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren.
  • Sehhilfen und adaptive Technologien: Spezialbrillen, elektronische Vergrösserungsgeräte und andere Hilfsmittel können genutzt werden, um die verbleibende Sehkraft so gut wie möglich zu nutzen.
  • Anpassungen im Alltag: Veränderungen in der Wohnung oder am Arbeitsplatz, wie die Installation besserer Beleuchtung, können den Alltag erleichtern.
  • Teilnahme an klinischen Studien: Neue Behandlungsmethoden, insbesondere in der Gentherapie, werden erforscht und bieten potenziell zukünftige Behandlungsoptionen.

Prognose

Die Prognose für Patienten mit Choroideremie ist durch einen allmählichen und fortschreitenden Verlust des Sehvermögens gekennzeichnet. Obwohl die Geschwindigkeit des Sehverlustes individuell variieren kann, führt die Erkrankung bei den meisten Betroffenen im Laufe der Zeit zu einer signifikanten Beeinträchtigung des Sehvermögens, die bis zur Erblindung im Erwachsenenalter reichen kann. Im Endstadium bestehen erhebliche degenerative Veränderungen des RPE. Derzeit gibt es keine Heilung, aber mit verschiedenen Managementstrategien und Hilfsmitteln können Betroffene ihre Lebensqualität zumeist verbessern und die verbleibende Sehkraft so gut wie möglich nutzen. Forschungsfortschritte, insbesondere in der Gentherapie, bieten Hoffnung auf zukünftige Behandlungsoptionen. Regelmässige augenärztliche Kontrollen sind entscheidend, um den Krankheitsverlauf zu überwachen und frühzeitig unterstützende Massnahmen einzuleiten.

Zusammenfassung

Choroideremie ist eine fortschreitende genetische Augenkrankheit, die durch Nachtblindheit, peripheren Sehverlust und eine allmähliche Verschlechterung des zentralen Sehvermögens gekennzeichnet ist. Die Diagnose erfolgt durch Augenuntersuchungen und genetische Tests, und während es derzeit keine Heilung gibt, konzentriert sich das Management hierzu auf die Erhaltung der Lebensqualität durch regelmässige Überwachung und den Einsatz von Sehhilfen. Aktuelle Forschungen, insbesondere in der Gentherapie, bieten Hoffnung auf zukünftige Behandlungsmöglichkeiten.

Nach oben