Augenentfernung (Enukleation)

Kategorien: Augenärztliche BehandlungPublished On: 9. Mai 2022Von 6,7 min read

Dr. med. Gabriele Valaisaite

Fachärztin für Augenheilkunde

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Inhaltsverzeichnis

augenentfernung

Operative Augenentfernung: Was das ist und wann es nötig wird

Die Enukleation ist eine Form der Operation am Auge. Häufig wird so versucht, die Ausbreitung einer schweren Erkrankung zu verhindern, etwa im Fall von Tumoren. Dabei entfernt ein Spezialist den gesamten Augapfel. Anschliessend erhält der Patient eine Augenprothese, früher Glasauge genannt. Dadurch verliert das betroffene Auge zur Gänze seine Sehkraft. Der Prozess kann nie mehr rückgängig gemacht werden.

Das Für und Wider des chirurgischen Eingriffs erfordert daher besondere Gründlichkeit: Wird sich die Lebensqualität des Patienten entscheidend verbessern? Ist der Vorgang tatsächlich alternativlos? Erst dann, wenn wirklich alle konventionellen Therapien versagt haben, wird der behandelnde Arzt zu einer solchen OP raten. Eine Ausnahme stellen schwere Verletzungen am Auge dar, bei denen rasches Handeln unumgänglich ist.

Häufige Gründe für eine Augenentfernung (Enukleation)

Eine Augapfelentfernung zieht der Arzt nur bei bestimmten Erkrankungen in Erwägung. Stets müssen die Folgen für den Patienten weniger schlimm sein als beim Belassen des Auges. Denkbar ist dies etwa bei chronischem Schmerz. Auch die weitere Ausbreitung einer bedrohlichen Erkrankung in den Körper hinein rechtfertigt die Entfernung eines Auges.

Beispiel Krebs: Bösartige Tumoren wie Melanom oder Karzinom können im Auge beginnen. Bildet der Krebs Metastasen, siedeln sie sich bald im ganzen Körper an. Besonders aggressiv ist das maligne Melanom. Es verhält sich ähnlich wie schwarzer Hautkrebs und kann verschiedene Teile des Auges befallen. Häufig besteht aber eine gute Chance, dies durch die Entfernung des Auges zu verhindern.

Speziell bei Kindern tritt eine Tumorform häufiger auf, die sich Retinoblastom nennt. Auch hier gibt es keine alternative Therapie: Weil der Tumor ausschliesslich an der Netzhaut (Retina) auftritt, muss sie mitsamt Augapfel entfernt werden. Sofern nicht beide Augen befallen sind, liegen die Chancen einer Heilung bei 100 Prozent. Andernfalls wird der Arzt versuchen, die Restsehkraft zu erhalten, indem er das stärker befallene Auge entfernt.

Ein weiterer häufiger Grund ist Diabetes mellitus: Infolge der Zuckerkrankheit kommt es zu stark erhöhtem Augeninnendruck. Durch den Verschluss alter Blutgefässe sucht sich das Blut einen neuen Weg, was eine Neubildung von Gefässen zur Folge hat. Dies beeinträchtigt das Auge so, dass es zu fortschreitenden Sehstörungen kommt. Das sogenannte Neovaskularisationsglaukom endet in völliger Blindheit. Dennoch schmerzt das Auge weiter, weshalb seine Entfernung sinnvoll ist.

Neben Verletzungen, häufig nach Unfällen, sind Entzündungen am Auge ein weiterer Grund für die Augapfelentfernung. Greift die Infektion auf das andere Auge über, nennt man dies sympathische Ophthalmie: Immunprozesse zur Bekämpfung der Erkrankung geraten ausser Kontrolle, der Körper reagiert über. Wird das Problem erkannt, lässt sich der Prozess bei zeitnaher Entfernung des ersten befallenen Augapfels noch stoppen.

Ebenfalls durch eine Entzündung, aber auch durch andere Ursachen kommt es zum Phänomen der Schrumpfung des Augapfels (Phthisis bulbi): Dabei verkleinert sich der Augapfel so, dass die Augenhöhle zu gross für ihn wird. Abgesehen von gesundheitlichen Problemen sieht dies einfach unschön aus. Daher entscheiden sich Betroffene häufig zur Operation, mit anschliessendem Ersatz durch ein Kunstauge.

Wie läuft die Augenentfernung (Enukleation) ab?

Der OP voran gehen zahlreiche ärztliche Untersuchungen. Das schliesst verschiedene Sehtests und spezielle Augenuntersuchungen ein, etwa solche des Augenhintergrunds. Weitere Möglichkeiten sind krankheitsabhängig: Möglich sind bildgebende Verfahren wie Computertomografie oder Ultraschall, bei Tumoren auch Biopsie sowie Blutuntersuchungen.

Entscheidend für den Entschluss ist die exakte Diagnose samt Beurteilung der Heilungschancen für die betreffende Erkrankung. Hat sich der Patient für die OP entschieden, wird er über den Ablauf informiert und erhält einen Termin. Zuzüglich wichtiger Informationen für das Gelingen des Eingriffs: So dürfen im Vorfeld keine Blutgerinnungshemmer eingenommen werden.

Der chirurgische Eingriff selbst findet unter Vollnarkose statt und ist nicht schmerzhaft. Dabei entfernt der behandelnde Arzt nicht nur den Augapfel, sondern auch einen grossen Teil des Sehnervs, wobei zuerst die Bindehaut vom Augapfel getrennt wird. Der Rest des Augenapparats bleibt in der Augenhöhle und andere Gewebe bleibt intakt. Dazu zählt nicht nur die Tränendrüse, sondern auch die Augenmuskeln. Ihnen kommt im Anschluss eine wichtige Funktion zu.

In der nun freien Höhle wird ein Platzhalter für das spätere Kunstauge versenkt. Meist handelt es sich dIn der nun freien Höhle wird ein Platzhalter für das spätere Kunstauge versenkt. Meist handelt es sich dabei um ein Implantat aus Silikon. Daran vernäht der Arzt noch Muskeln und Bindehaut. Zur besseren Heilung verteilt er eine Salbe mit Antibiotika und legt einen Druckverband auf. Häufig bekommt der Patient am Ende zudem eine örtliche Betäubung. Er wird dann auch nach dem Aufwachen aus der Vollnarkose keine Schmerzen verspüren.

Nach dem Eingriff bleibt der Patient zunächst im Krankenhaus. Das ist nötig, um die anschliessende Behandlung und Versorgung sicherzustellen und den Patienten zu beobachten, um Komplikationen zu vermeiden. Beispielsweise tauscht man einen Tag später den Druckverband gegen einen normalen Wundverband. Nach zwei bis drei Tagen wird der Patient nach Hause entlassen.

Zur Nachsorge gehört eine gründliche Untersuchung der Wundheilung beim behandelnden Arzt. Salben oder Tropfen fördern die Wundheilung. Handelte es sich um einen Tumor, wird zudem das entfernte Gewebe weiter untersucht. Daran lässt sich erkennen, ob der Tumor bereits gestreut haben könnte. Die nächsten Untersuchungen durch den Augenarzt erfolgen in solch einem Fall engmaschig, bis zu mehrmals am Tag.

Eine Augenprothese wird aber erst Wochen später eingesetzt. Hersteller sind Augenprothetiker, auch Ocularisten genannt. Sie fertigen jede Prothese nach Mass. Hierfür muss die Wundheilung abgeschlossen sein, was nach vier bis acht Wochen der Fall ist. Dann kann die Augenprothese mit den verbliebenen Muskeln verbunden werden, wodurch es Bewegungen wie ein echtes Auge vollzieht. Das Material ist Kryolit-Glas, ein sehr leichtes, hochwertiges und gegen Tränenflüssigkeit widerstandsfähiges Kunstglas. Zudem sieht es in Farbe und Grösse dem verbliebenen Auge ähnlich. All das führt dazu, dass dieses Kunstauge kaum vom echten Auge zu unterscheiden ist.

Kosmetisch ist dies praktisch. Allerdings kann das Sehen mit einem Auge nicht mehr räumlich stattfinden und erfordert besondere Umsicht. Eine Gewöhnung erfolgt aber erfahrungsgemäss sehr schnell. Auch das Einsetzen und Herausnehmen des Kunstauges gestaltet sich bald so leicht wie das einer Kontaktlinse.

Unerwünschte Nachwirkungen des Eingriffs werden aufgrund der Nachuntersuchungen rasch erkannt. Dabei handelt es sich meist um Einblutungen. Die Abstossung des Erstimplantats ist äusserst selten.

Diese Alternativen zur Augenentfernung sollten bedacht werden

Die Alternativen zur Enukleation sind zahlreich, hängen aber von der Diagnose ab. Ein Tumor lässt sich vielleicht auch mit Bestrahlung oder Chemotherapie bekämpfen. Leider machen sich einige Tumorarten beim Patienten erst spät bemerkbar. Anders verhält es sich mit Schmerzen: Hier können Medikamente gute Dienste leisten. Entzündungen sollten zunächst mit Tropfen oder Salben bekämpft werden.

Auch die OP selbst ist nicht alternativlos: Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Eviszeration besser sein. Dabei wird nicht der ganze Augapfel entfernt, sondern nur das Innere davon sowie die Hornhaut. Ein intakter Augapfel ist hierfür unabdingbar. Zudem darf kein Tumor vorliegen und es muss noch genug Tränenflüssigkeit vorhanden sein. Zwar erblindet der Patient hier ebenfalls am betroffenen Auge. Doch das folgende Implantat ist beweglicher als ein komplettes Kunstauge. Zudem erleidet der Patient am Auge keine Schmerzen mehr.

Alternativlos ist hingegen die Augapfelschrumpfung. Hier bleibt nur die Entfernung des Augapfels, da zurzeit noch keine konventionelle Therapie existiert.

Fazit Augapfelentfernung: Sinnvoll für mehr Lebensqualität

Im Mittelpunkt aller Überlegungen steht das Wohl des Patienten. Wird er mehr Lebensqualität haben als mit dem kranken Auge, sollte eine Enukleation zumindest angedacht werden. So sind Patienten mit Kunstauge oft selbstbewusster und fühlen sich weniger krank. Auch Schmerzen haben mit diesem Schritt endlich ein Ende. Allerdings erleiden Betroffene stets einen Teilverlust ihrer Sehfähigkeit. Ist es unumgänglich, wird dies aber durch Gewöhnung bald ausgeglichen. Ein kompetenter Augenarzt hilft dabei, die Belastung für jeden Patienten individuell abzuschätzen.

Quellen

  • Timothy L Jackson: Moorfields Manual of Ophthalmology, third edition, Seite 131.
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